Also, ich hab mir jetzt mal weitestgehend alles durchgelesen. Und ja, ich habe auch schon mehrere Auszubildende ausgebildet. Meine letzte war in diesem Jahr fertig, von daher denke ich schon, dass ich da ein wenig mitsprechen kann.
Das Mädel ist 18. Da ist Händchenhalten angesagt. Die tun zwar immer so, als wären sie die Könige, aber wenn es darum geht, in der Arbeitswelt zu bestehen, sind sie alle erst einmal gleich.
Die grundsätzliche Idee, eine Auszubildende von Anfang an alles machen zu lassen, ist nicht verkehrt. Es kommt halt auf das Tempo an und wie viel Zeit Du Dir dann für Sie nimmst. Mit nebenher erklären ist es da nämlich nicht getan. Mir ist auch klar, dass man selbst genug zu tun hat; aber eine gute Ausbildung - und ich habe das Gefühl, dass Du eine solche durchführen möchtest - kostest einfach Zeit, und zwar viel Zeit.
Ich habe meinen Auszubildenden immer eingebläut, dass, wenn ich ihnen etwas erkläre und sie es nicht verstanden haben, sie es mir sagen sollen...auch wenn ich das 5 x dann erklären muss bis sie es verstanden haben. Das einzige, wo ich wirklich auf Rot drehe, ist, wenn mir jemand sagt, er hat es verstanden und macht dann im nächsten Moment denselben Fehler wieder. Und, dass A + O ist fragen. Und sollte ich mal, weil bei mir grad auch Landunter ist, gereizt wirken, dann bloß nicht persönlich nehmen. Es ist dem momentanen Umstand geschuldet und die Auszubildende selbst kann nichts dafür. Mit diesen Worten hab ich meinen Auszubildenden eigentlich immer schon die erste Angst vor Fragen usw. genommen. Wenn ich wirklich mal zu schroff reagiert habe, dann habe ich mich auch entschuldigt, dass es jetzt nicht an ihrer Frage lag, sondern halt daran, dass ich grad extrem im Stress bin. Ich hab dann auch immer wieder darauf hingewiesen, dass es wichtiger ist zu fragen und auf diese Weise Fehler zu vermeiden, bevor das Kind in den Brunnen gefallen und ggf. nicht mehr zu retten ist.
Grundsätzlich beginnt eine Ausbildung natürlich immer erst einmal mit Aktenanlage, -ablage, Post öffnen und suchen sowie auch Wiedervorlagen und Terminsakten usw.
Die ersten paar Tage habe ich mit meinen Auszubildenden immer die Post gemeinsam geöffnet, gescannt und die Fristen notiert. Ihnen gezeigt, worauf sie achten müssen und wo die Fristen gerne versteckt werden. Zusätzlich haben sie von mir einen Fristenzettel erhalten, auf dem genau stand, welches Schriftstück welche Frist mit welcher Bezeichnung auslöst (z.B. Urteil: Tabestandsberichtigungsantrag: 2 Wochen; Berufung: 1 Monat; Berufungsbegründung: 2 Monate) usw.
Nach kurzer Zeit haben sie dann die Post selbst geöffnet und die Fristen notiert. ABER: Während der gesamten Ausbildungszeit wurde mir die Post nach dem stempeln und notieren der Fristen mit den Akten vorgelegt, damit ich kontrollieren konnte. War die Akte grad nicht greifbar, wurde der Posteingang ohne Akte vorgelegt.
Meine Auszubildenden haben auch nach ein paar Monaten bereits Mahnbescheide erstellt usw. Aber auch hier hab ich erstmal ausführlichst erklärt, wer wer ist, wie was heißt usw. Dann haben meine Auszubildenden ein paar Mal neben mir gesessen, ein paar Mal ich dann neben ihnen und erst dann durften sie Mahnbescheide selbst erstellen, die dann von mir kontrolliert wurden.
Und selbstverständlich haben sie von Anfang an mit Bänder geschrieben und ich habe das Geschriebene kontrolliert.
Wenn es wirklich mal eine Zeit gab, wo meine Auszubildenden nichts zu tun hatten, dann haben sie auch gefragt, ob ich grad etwas hätte. Ganz ehrlich: was erwartest Du denn, dass sie sich selbst suchen soll...gerade am Anfang der Ausbildung?
Oft haben sie sich dann auch einfach neben mich gesetzt und ich habe ihnen erklärt, was ich gerade mache. Wenn ich grad z.B. in der Zwangsvollstreckung etwas gemacht habe, dann habe ich das halt genau erklärt usw. ZV haben die bei mir allerdings tatsächlich erst im dritten Lehrjahr gelernt, als es auch in der Schule dran kam. Ich fand die obigen Arbeiten eigentlich schon fürs erste Lehrjahr ausreichend und vielseitig. Gab es tatsächlich mal eine Zeit, wo sie nichts zu tun hatte und ich mich grad auch nicht um sie kümmern konnte, hatte sie die Erlaubnis ihr Berichtsheft zu bearbeiten oder für die Schule zu lernen.
Was ich damit sagen will: Du musst erklären, erklären und nochmals erklären und zwar nicht hopplahopp, sondern ausführlich. Du musst Dich mit ihr zusammensetzen und Arbeiten mit ihr gemeinsam machen und ihr nicht die Sachen nebenher erklären und hoffen, dass das dann klappt. Frag sie auch ruhig mal ab, wenn Du ihr vor ein paar Tagen etwas erklärt hast. Wie z.B. wie hoch ist die Verzugspauschale? (Natürlich nur, wenn Du ihr das bereits erklärt hast).
Ich frage mich natürlich auch, warum Deine Auszubildende länger arbeitet als Du? So wie ich das Ganze bisher lese, seid Ihr beiden alleine? Kann man das dann nicht irgendwie ändern? Wenn das nicht geht, dann musst Du eine Lösung finden, wie Du sie beschäftigen willst, und zwar mit Arbeiten, die erst am nächsten Tag kontrolliert werden können. Wenn Du dann natürlich schreibst, dass sie nichts mehr macht, sobald Du das Büro verlässt trotz gegebener Anweisungen, dann ist das harter Tobac. Dann rede nochmals mit ihr. Ändert sich nichts, dann würde ich ihr eine Arbeitsanweisung für die Zeit bis zum Feierabend hinlegen, die sie dann, wenn sie das erledigt hat, abzeichnen soll. Das würde ich ihr aber in dem Gespräch auch bereits androhen und ihr klar machen, dass so eine Arbeitsweise wohl von Euch beiden nicht gewünscht wird.
Was das Telefon angeht, so gibt es tatsächlich Leute, die in der Beziehung etwas gehemmt sind. Sitzt sie Dir direkt gegenüber oder hat sie ihr eigenes Zimmer? Wenn sie Dir gegenüber sitzt, dann hat sie vielleicht auch einfach Angst, sich Dir gegenüber zu blamieren. Wenn sie in ihrem eigenen Zimmer sitzt, ist sie vielleicht auch einfach mit der Situation überfordert. Du kannst Deinen Mandantenstamm besser einschätzen, wie schwierig die Leute sind. Meine Auszubildenden haben die erste Zeit mir beim Telefonieren zugehört. Später, als sie dann das Telefon annehmen sollten, haben sie von mir immer die Anweisung bekommen: Versuchen, mit dem Chef zu verbinden, geht das nicht, weil er nicht da ist, einen Termin hat oder gerade selbst telefoniert, dann fragen, ob ein Rückruf gewünscht wird....Name und Nummer aufschreiben..fertig. Fängt der Mandant dann an, irgendwelche Fragen zu stellen oder sogar sich zu beschweren, dann höflich darauf hinweisen, dass man lediglich eine Auszubildende ist und ihm leider nicht behilflich sein kann. Dann halt fragen, ob sie mit Dir verbinden soll (solltest Du telefonieren, ob sie einen Rückruf von Dir organisieren soll) oder, wenn der Mandant dies nicht wünscht, ihn höflich bitten sein Anliegen dem Anwalt gegenüber vorzubringen.
Und selbstverständlich habe ich meinen Auszubildenden immer klar gemacht, dass sie stets höflich am Telefon bleiben sollen. Fluchen ist erst nach Auflegen des Hörers und Vergewissern, dass dieser wirklich richtig aufgelegt ist erlaubt.
Und natürlich darf man das Gemotze von Mandanten nie persönlich nehmen, da sie letztendlich nur ihren Frust über einen nicht erfolgten Rückruf des Anwalts oder aber eine Nichtbearbeitung herauslassen wollen und das nunmal immer die Angestellten, die ans Telefon gehen, trifft, da der Anwalt ja in diesem Moment nicht greifbar ist.
So......das war jetzt um einiges mehr als ich schreiben wollte, aber ich hoffe, Du kannst damit ein bißchen was anfangen und wenn alle Stricke reissen und keine Zusammenarbeit möglich ist, dann hoffe ich, dass die Probezeit noch nicht um ist und ihr Euch noch problemlos trennen könnt.
Und wem das zu viel zum Lesen ist, der soll es lassen.