Ausbildung in reiner Strafrechtskanzlei - gut oder schlecht?

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Bine@RA
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#1

12.03.2010, 11:20

Hallo Leute,
ich hätte da mal eine Frage: Meine Tochter beginnt am 1.8. ihre ReFa-Ausbildung in einer reinen Strafrechtskanzlei. Mir kommen (auch bei der Durchsicht des Forums) immer mehr Bedenken, ob diese Entscheidung so gut war, da ja - wie hier schon mehrfach zu lesen war - das Strafrecht in der Berufsschule nur am Rande bzw. wenn noch Zeit ist, gestreift wird. Wie sieht es denn im Kostenrecht aus? Wird da das Strafrecht auch nur gestreift?
Ich meine halt, dass sie dann die wesentlichen Sachen (Zivilrecht, ZV usw.) nie in der Praxis anwenden kann und man doch nur durch die tägliche Arbeit lernt und sein Wissen vertiefen kann. Ich habe ja kaum Erfahrung mit Strafrecht, aber stellt man da auch mal einen MB o.ä.?
Sie müsste ja dann in der Theorie das Zivilrecht und in der Praxis das Strafrecht lernen, oder?

Wie sind Eure Erfahrungen? Wer hat auch in einer reinen Strafrechtskanzlei gelernt und kann mir seine Erfahrungen mitteilen? Was macht man da so, außer Schriftsätze tippen? Was haben Azubinen in einer Strafrechtskanzlei zu machen?

Um zahlreiche Antworten wird gebeten.

Liebe Grüße und Danke schon mal im voraus.
Finja75
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#2

12.03.2010, 11:25

Bine@RA hat geschrieben:Was macht man da so, außer Schriftsätze tippen? Was haben Azubinen in einer Strafrechtskanzlei zu machen?
Stapelweise und tagelang Ermittlungsakten kopieren und wieder zurücksenden :roll:
Bine@RA
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#3

12.03.2010, 11:30

Na toll, das sind ja schöne Aussichten! :roll:
Susanshi
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#4

12.03.2010, 12:10

Hallo,

also ich habe 4 Jahre in einer hauptsächlich strafrechtlich ausgerichteten Kanzlei gearbeitet. Dort sind alle Sachen angefallen, die es auch sonst gibt. Kostenrechnungen, KfA´s schreiben, Geltendmachug und Vollstreckung ausstehender Rechnungen, Buchhaltung in Grundzügen. Zum Strafrecht gehören oft auch die zivilrechtlichen Ansprüche der Geschädigten. Je nachdem, wie die Kanzlei bei ihr ausgerichtet ist, gibts im "normalen" Zivilrecht auch ne Menge zu tun. Also normale Klageverfahren auf Schadensersatz usw.

Ich würde nicht sagen, dass es ein Nachteil ist, in einer Strafrechtskanzlei zu lernen. Schriftsätze tippen und stapelweise Akten kopieren muss man in anderen Rechtsgebieten genauso... (zb. bei mir jetzt WEG-Recht)

Ich wünsch deiner Tochter schon jetzt viel Spass bei der Ausbildung, ich selbst fand es super interessant. (gerade den Ausflug ins Strafrecht)
Bine@RA
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#5

12.03.2010, 12:35

@ Susanshi
Vielen Dank für Deine umfassende Information. Das wusste ich echt nicht, dass in strafrechtlich ausgerichteten Kanzlei auch Zivilrecht anfällt.

@ alle
Weitere Erfahrungsberichte werden weiterhin dankend angenommen :)
ReNoFa09
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#6

12.03.2010, 13:35

Heyyy :-)

Also ich habe meine Ausbildung letztes Jahr im Sommer abgeschlossen...und ich muss eins sagen, i. S. Strafrecht haben wir wirklich wenig gemacht...die letzten paar Stunden vor den Prüfungen haben wir Abrechnungen geübt...

Nunja vielleicht sieht es ja in der Berufsschule deiner Tochter anders aus! (Hoffentlich!!)

LG
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Adora Belle
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#7

12.03.2010, 13:57

Es gibt sogar Strafverteidiger, die der Meinung sind, daß sie deshalb nicht ausbilden können, schau mal hier (ich hoffe ich kann das korrekt verlinken).

Ich denke, Deine Tochter sollte sich davon nicht abhalten lassen. Wie @Susanshi schreibt, fallen durchaus zivilrechtliche Tätigkeiten an, wenn auch nicht im gleichen Umfang. Ich kann mir aber auch viele andere Spezialisierungen vorstellen, die nicht genau das abbilden, was an der Berufsschule gelehrt wird.

Und - was m.E. nicht zu verachten ist - bei einem Strafverteidiger "menschelt" es meist etwas mehr als woanders, Du bist im prallen Leben und es wird nie langweilig. 8)
Bine@RA
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#8

12.03.2010, 14:34

@ Adora Belle

Vielen Dank für Deine Antwort.
Meine Tochter hat sich ja auch eigentlich bewusst für Strafrecht entschieden, weil es eben interessanter ist, wie z. B. mein Bau- und Vergaberecht (gähn...).
Ich hatte eben nur Bedenken wegen der Diskrepanz zwischen Schule und Kanzlei.
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#9

12.03.2010, 14:46

Strafrecht (auch in Kostenrecht) wurde bei uns auch nur ganz am Rande "abgehandelt" und waren auch nicht prüfungsrelevant. Einige Mädchen aus meiner Klasse, die in hauptsächlich strafrechtlich ausgerichteten Kanzleien gearbeitet haben, hatten auch ein wenig Probleme mit dem Unterrichtsstoff, weil sie das nie angewendet haben. Ich kenne aber auch das Gegenteil: Freundin von mir hat in einer reinen Strafrechtskanzlei gelernt und war beim Abschluss Schulbeste und Kammerzweite. Es geht also alles, wenn man lernt und sich für den Beruf interessiert.

Außerdem kann es deiner Tochter hinterher Vorteile bringen wenn sie nach der Ausbildung einen Job hat, da hat sie dann nämlich gegenüber anderen mehr Wissen...
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Leana

#10

12.03.2010, 15:35

Ich hab meine Ausbildung auch in einer Kanzlei gemacht, die zum größten Teil, nur Strafrecht gemacht hat. Die Diskrepanz zwischen Schule und Kanzlei hab ich nicht als "schlimm" empfunden.

Gut, das Thema Strafrecht wird nicht so ausführlich in der Schule behandelt, bei uns erst ab dem dritten Lehrjahr, dafür bekommt man ja in der Kanzlei allerhand mit und kann ja auch Kollegen fragen. Genau das gleiche Problem hätte jemand der in einer Kanzlei für Sozialrecht o.ä. seine Ausbildung macht. Das Thema wird ja so gut wie gar nicht in der Schule durchgenommen.

Kann mich den anderen nur anschließen, Strafrecht ist wirklich super interessant und dass man das ein oder andere Mal eine Akte kopieren muss, bleibt halt nicht aus :D
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