Notariat chronisch unterbesetzt...

Hier hinein gehören alle Themen rund um Büroorganisation, Büroverwaltung, Kanzleiorganisation etc.
Antworten
ultuna

#1

23.01.2014, 11:55

Hallo zusammen,

da ich leider kaum Kontakt zu anderen Notariaten in unserer Stadt (ca. 70.000 EW) habe, frage ich heute mal in die "Notariats-Runde", wie Ihr folgende Situation einschätzt:

Ich bin ausgebildete ReNo (48 J.) und arbeite seit 31 Jahren (incl. Ausbildung) in einer Kanzlei mit 2 Notaren, d.h. der ältere ist Ende des Jahres in den Ruhestand gegangen; also arbeite ich jetzt für den Notarverwalter (RA aus unserer Kanzlei) und dem anderen Notar. Vor 5 Jahren habe ich zusätzlich eine Weiterbildung zur Notarfachwirtin gemacht und muss dazu schreiben, dass meine Chefs gar nicht so begeistert waren, als ich von meinen Absichten der Zusatzausbildung erzählte. Kommentar meines älteren Chefs war: "Machen sie doch lieber einen Englischkurs..." Und der andere Notar verhielt sich auch eher neutral. Ich vermute, dass gerade der jüngere befürchtete, dass ich nach der Prüfung sofort um ein Gehaltsgespräch bitte würde... Dies habe ich aber nicht getan, vielmehr habe ich die Ausbildung selbst bezahlt und auch nicht mehr Gehalt verlangt.

Nun zu meinem Problem: Da ich schon seit langem in dem Büro arbeite, habe ich des Öfteren Auszubildende im Notariat mit ausgebildet. Die meisten Azubis hatten aber kein Interesse am Notariat. Zum Glück gab es eine Kollegin, die mir bei viel Arbeit ausgeholfen hat. Diese ist aber seit 2 Jahren nicht mehr bei uns und inzwischen habe ich eine junge Angestellte im Notariat angelernt und sie vertritt mich im Urlaub. Ich war froh, dass sie mich entlasten konnte, da in der letzten Zeit sehr viel Arbeit im Notariat anfiel, allein 2013 wurden ca. 200 Urkunden mehr als im Jahr 2012 angelegt.
Hinzu kommt, dass ich fast jeden Abend Überstunden mache und diese nicht vergütet werden.

Ich habe des Öfteren auf das Problem hingewiesen. Ich kann jede Akte nur im Schnelldurchgang bearbeiten. Nach der Fachwirt-Ausbildung hatte ich die Vorstellung, mehr Urkunden selbständig vorzubereiten und mich mit schwierigeren Entwürfen etc. u beschäftigen. Aber da meine Kollegin auch am Empfang (+ Annahme von Telefonaten) arbeitet, muss ich mehr denn je die Urkunden kopieren, nähen, siegeln und die 0815-Anschreiben fertigen. Und durch die Schnellbearbeitung kommt es nun des Öfteren vor, dass es Beanstandungen und sogar einen Haftungsfall gibt.
Trotz eines Gesprächs im letzten Jahr änderte sich nichts, vielmehr wollte man mir eine Woche Urlaub (neben dem Jahresurlaub) nicht genehmigen, obwohl die Vertretung da war etc.

Neuester Stand ist, dass meine Kollegin schwanger ist und nun eine ältere ReNo-Angestellte von außerhalb eingestellt wird, die noch nie im Notariat gearbeitet hat. Was ich dann zu tun habe, könnt Ihr euch vorstellen.... :evil:

Meine Frage an Euch: Wie sind Eure Notariate organisiert? Wieviele Angestellte (Voll- bzw. Teilzeit) arbeiten für wieviele Notare? Wir bearbeiten ca. 730 Urkunden im Jahr.

Wie wird die Arbeit in Eurem Notariat bewertet/eingeschätzt? Ich habe immer den Eindruck, dass die Angestellten (ähnlich wie in der ZV) einen Großteil der Arbeit erledigen, die Chefs oft nur Vorlesen und unterschreiben müssen, dies aber - zumindest in unserer Kanzlei - nicht Wert schätzen. Geht das nur mir so??

LG Ultuna
The_Rabbit_333
Foren-Azubi(ene)
Beiträge: 57
Registriert: 18.05.2009, 17:54
Beruf: ReNo - mehr No als Re
Wohnort: NRW

#2

05.02.2014, 12:26

Hallo Ultuna

dein Beitrag ist zwar schon etwas älter aber ich bin grade drüber "gestolpert" und ich fühle mit dir.

Schäme mich schon fast es zu sagen aber wir haben hier einen Anwalt (er hat eine eigene Angestellte) und nur einen Anwaltsnotar für den ich tätig bin und der "nur" ca. 300 Urkunden im Jahr hat (er ist noch ein sehr junger Notar).

Ich wurde nach meiner Ausbildung in dieser Kanzlei in das Notariat "geworfen" (mir wurden in der Ausbildung kaum Kenntnisse im Notariat vermittelt) und habe im ersten Jahr auch mit Monierungen gekämpft und mir mehr oder weniger alles selber beibringen müssen. Das ist jetzt vier Jahre her.

Mein Chef drängt immer, dass wir mehr als 300 Urkunden schaffen müssen, aber ich frage mich ernsthaft wie ich das machen soll. Denn ich soll die Entwürfe erstellen, die Urkunden ausfertigen und die Abwicklung der Verträge vornehmen / überwachen. Nebenbei noch den Empfang und die Terminkoordination (auch für den Anwaltsbereich mit) und sämtliche Telefonate im Notariat führen und die Post bearbeiten und wenn kein Lehrmädchen da ist die Urkunden auch noch selber nähen und siegeln. :?

Manchmal frage ich mich ernsthaft, liegt das jetzt an mir oder sind wir einfach unterbesetzt?

Ich habe auch manchmal das Gefühl, das mein Chef die Urkunden nur noch vorliest und ich im Vorfeld mit der Erstellung und nach der Beurkundung für die Abwicklung zuständig bin - das ganze natürlich ohne Fachwirtausbildung weil dann müsste man mich ja entsprechen entlohnen und ohne irgendwelche Notariats- oder Anwaltsprogramme - die Kosten ja Geld. :-| Word 2003 muss reichen.

Lieben Gruß
Benutzeravatar
AnjaZ
Absoluter Workaholic
Beiträge: 1459
Registriert: 28.08.2008, 13:52
Beruf: ReNo-Fachangestellte
Software: RA-Micro
Wohnort: Schleswig-Holstein

#3

05.02.2014, 17:51

Ich arbeite ebenfalls bei einer Anwaltsnotarin und bin damals nach der Ausbildung ebenfalls in "kalte Wasser geschmissen worden", was das Notariat angeht. Bereut habe ich es niemals, denn ich finde die Notariatsarbeit sehr viel interessanter, als die Arbeiten im Anwaltsbereich. Ich weiß aber auch, dass viele Azubis "Angst" vor dem Notariat haben, da es oftmals als das "Allerheiligste" beschrieben wird; "man dürfe dort keine Fehler machen", etc. So war es in meiner Ausbildung auch, so dass ich sehr großen Respekt hatte.

Ich habe eine Kollegin, die Vollzeit arbeitet und für den Anwaltsbereich, das Telefon und die Buchhaltung tätig ist. Ich selbst arbeite 27 Std/Woche und bin für das Notariat, Empfang der Mandanten, Hard- und Software sowie die ganze Büroorganisation zuständig. Unsere Aushilfe (8 Std/Woche) hat leider gekündigt, einen Ersatz konnte bislang nicht gefunden werden.

Unser Notariat umfasst ca. 300 bis 400 Urkunden im Jahr und ich bin damit mehr als ausgelastet. Die meisten Urkunden bereite ich selbständig vor. Die komplizierten Fälle bereite ich ebenfalls, soweit ich kann, vor, sie werden aber von der Chefin überprüft und korrigiert. Die Abwicklung der Urkunden liegt ebenfalls bei mir. Manchmal bleiben die Eingänge und Urkunden (vor allem in der Urlaubszeit von uns Angestellten) länger liegen, da es einfach nicht zu schaffen ist oder es PC-Probleme gibt, die es dann erst einmal zu beheben gilt. Wir arbeiten mit ra-micro, seit einem Jahr haben jetzt auch das Notariat lizenziert, so dass es mir bezüglich der Urkundenrolle, Massen- und Verwahrungsbuch und den Veräußerungsanzeigen sehr viel Entlastung bringt.

Eine Ausbildung zur Notarfachwirtin würde mich auch interessieren (meine Chefin würde die Kosten auch übernehmen); leider fehlt mir derzeit in familiärer Hinsicht die Zeit dazu. Aber was nicht ist, kann ja noch werden :wink:
Gruß Anja
_________________________

Beginne jeden Tag mit einem Lächeln!!!
Antworten