Gerichtskosten- beide Parteien haben Berufung eingelegt

Fragen zu Gerichtskosten - altes Recht bis 31.07.2013
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Erdbeere23
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#1

08.06.2016, 14:07

Hallo Zusammen,

folgender Sachverhalt:

Wir haben Berufung eingelegt und zwei Tage später auch die Gegenseite. In Lauf des Verfahrens wurde von Gericht darauf hingewiesen, dass beide Berufungen zurückgewiesen werden würden. Daraufhin haben wir unsere Berufung zurückgenommen. Über die Berufung der Gegenseite wurde sodann entschieden. Wie das Gericht hingewiesen hatte, wurde deren Berufung zurückgewiesen.
Das Gericht hat vier volle Gebühren (Gerichtskosten) abregechnet. Davon haben wir mit 24% und die Gegenseite mit 76% zu tragen.

Nun stellt sich die Frage, ob wir - die ja die Berufung zurückgenommen haben - nicht weniger Gerichtskosten zahlen müssen als die Gegenseite. Klar, wir zahlen schon allein wegen der Quote weniger, aber müsste sich nicht der Anteil der auf uns entfällt aus einer geringeren Gebühr berechnen z.b. einer 2,0?
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Anahid
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#2

08.06.2016, 15:16

Nein, da beide Berufungen denselben Sachverhalt betreffen, handelt es sich um eine Angelegenheit. Da können nicht verschiedene Ansätze gelten. Da leider über die Berufung der Gegenseite zu entscheiden war, fällt die 4,0 an.
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Erdbeere23
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#3

08.06.2016, 15:51

Und wer hat die Gebühr für die Entscheidung in welchem Verhältnis zu tragen?
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#4

08.06.2016, 19:57

Erdbeere23 hat geschrieben:Und wer hat die Gebühr für die Entscheidung in welchem Verhältnis zu tragen?
Hast Du doch oben selbst geschrieben. :augenreib Eure Mandantschaft zu 24 % und die Gegenseite zu 76 %. :kopfkratz
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#5

08.06.2016, 20:15

Ermäßigungstatbestände greifen nur, wenn sich der gesamte Streitgegenstand dadurch erledigt. Da beide Seiten Berufung eingelegt hatten, ist der gesamte Streitgegenstand der I. Instanz in der Berufung anhängig. Die Teilrücknahme führt daher nicht zur Ermäßigung ( s. Text bei KV 1221, 1222 und 1223 GKG ) Hier fällt ausschließlich KV 1220 GKG an.
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#6

09.06.2016, 14:42

Meinem Chef geht es darum, dass wir nicht verantwortlich für die volle Gebühr sind, da wir ja die Berufung zurückgenommen haben. Er will wissen, warum wir dann 24% der vollen Gebühr zu zahlen haben, wenn es doch heißt, bei einer Rücknahme wird es billiger. Die Antwort "Weil das gesamte Verfahren hätte erledigt sein müssen gem. Nr. 1221-1223 GKG", stellt ihn nicht zufrieden. Ich habe ihm jetzt schon weiß Gott wie oft gesagt, dass es so korrekt ist und das Gericht die Rücknahme offensichtlich auch berücksichtigt hat. Er kann oder will es einfach nicht verstehen :/
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#7

09.06.2016, 18:03

Ob er das nicht verstehen will, ist ehrlich gesagt sein Problem. Der Fall, dass eine Partei kostenmäßig durch irgendwelche Regelungen benachteiligt wird, ist nicht der erste und auch nicht der letzte. Auch wenn es ungerecht ist: Es ist so.

Wie oft hatten wir hier schon das Beispiel, dass bei der Kostenfestsetzung trotz korrekter Antragstellung beider Parteien durch den Rechtspfleger ein Fehler gemacht wurde, sodass die dadurch beschwerte Partei gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vorgehen musste, mit der Folge, dass der Beschwerde stattgegeben, der Kostenfestsetzungsbeschluss abgeändert wird und die Kosten des Beschwerdeverfahrens von der anderen Partei (die auch keine Ursache für die Beschwerde gesetzt hat und dennoch bezahlen darf) zu tragen sind. Ist auch nicht gerecht. Aber man kommt nicht dagegen an. Das Gericht bleibt niemals auf Kosten sitzen. Und hier ist nunmal, wie nochmals ausführlich von DKB beschrieben, ein einziges Berufungsverfahren anhängig für das selbstverständlich die Gebühren auch nur einmal anfallen können. Gerichtskosten werden immer auf den gesamten anhängigen Wert erhoben. Eine Splittung in zwei Teile, wie von Euch gewünscht, sieht das Gesetz nicht vor. Da kommt auch Dein Chef nicht drum herum. :roll:
Zuletzt geändert von Anahid am 10.06.2016, 08:49, insgesamt 1-mal geändert.
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#8

09.06.2016, 20:32

Das Berufungsgericht wird doch eine Kostenentscheidung erlassen haben. Man kann vermuten, dass Eure eingelegte Berufung 24 % des Gesamtstreitwerts ausmachen, die Berufung der Gegenseite 76 %. Wenn eine Kostenentscheidung vorliegt, beruht die Haftung Eures Mandanten auf § 29 Nr. 1 GKG ( Entscheidungsschuldner ). Ansonsten haftet jede Partei gem. § 22 GKG als Antragsteller der Berufungsinstanz hinsichtlich des jeweiligen Anteils der Teil-Rechtsmittel am Gesamtstreitwert.

Wie schon erwähnt, muss sich der Ermäßigungstatbestand auf das gesamte Verfahren beziehen. Durch die beiderseitige Berufung ist der gesamte Streitgegenstand der I. Instanz auch in der Berufungsinstanz anhängig ( vermutlich gibt es doch auch eine Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren? ). Hätte die Gegenseite keine Berufung eingelegt, dann wäre Eure Berufung der Gesamtstreitwert der II. Instanz gewesen und die Rücknahme hätte sich gebührenermäßigend ausgewirkt. Es gibt keine Teilermäßigungen. Der Wert des Berufungsverfahrens mit wechselseitigen Rechtsmitteln bestimmt sich nach § 45 Abs. 2 GKG ( Addition der Teilwerte ).
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