Frage zum GW... und dann noch eine moralische Frage

...für das vom 01.07.2004 bis 31.07.2013 geltende Gebührenrecht
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avors
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#1

03.09.2010, 09:20

Einen guten Morgen wünsche ich Euch allen!

Ich bin mal wieder auf Eure Hilfe angewiesen und hätte neben einer fachlichen auch eine moralische Frage. Nun gut, es geht um folgenden Sachverhalt:

Mdt. ruft telefonisch in der Kanzlei an um sich evtl. beraten zu lassen. Es geht um Rückabwicklung einer fondsgebundenen Lebensversicherung sowie eines Depotkontos in der Schweiz bzw. sollen die eingezahlten Beiträge (4.000,00 EUR für LV und 3.000,00 EUR für Depotkonto) zurückgeholt werden. Die LV beläuft sich auf eine Betragssumme von ca. 117.000,00 EUR und das Depotkonto auf einen Betrag von ca. 17.000,00 EUR (wenn die monatlichen Zahlungen bis zum Schluss fortgesetzt worden wären, die beiden Sachen liefen nicht mal 1 Jahr).

Es wird zunächst eine Erstberatung durchgeführt (schriftliche Ausarbeitung), die der Mdt. mit 250,00 EUR bezahlt. Dann sollte der Anwalt prüfen inwieweit es wirtschaftlich einen Sinn macht, in dieser Sache tätig zu werden. Er gibt grünes Licht, wobei über diese Tätigkeit eine Honorarvereinbarung (mit bewussten Ausschluss von Beratungshilfe und Nichtanrechnung der Erstberatung) abgeschlossen wird. Der Anwalt stellt nun einen Vorschuss von 1.200,00 EUR zzgl. MwSt in Rechnung, die der Mandant in Raten zahlt. Der Mandant hat nämlich von Anfang an (mehrmals) mitgeteilt, dass nicht viel Geld zur Verfügung steht und schriftlich als auch mündlich darum gebeten, dass er nach Verbrauch des Vorschusses informiert werden möchte. Es ist dann eine Abrechnung auf Honorarvereinbarung erfolgt, mit welcher dem Mandanten weitere 1.400 EUR in Rechnung gestellt werden. Hierauf zahlt er 300,00 EUR und seit dem nichts mehr.

Wir haben dann die Gegenseite bzgl. der Lebensversicherung (Vermittler und Untervermittler sowie LV selbst angeschrieben, worauf jedoch nichts zurückkam. Lediglich mit einem Untervermittler neben einem weiteren Schreiben noch telefoniert. Bezüglich des Depotkontos ist nix passiert bzw. wurde bisher nichts unternommen sondern nur geprüft.

Nun meine Frage:
Wie hoch würdet Ihr den Gegenstandswert im Falle einer Berechnung nach RVG ansetzen? Cheffe meint, dass aufgrund der Rückabwicklung und Rückholung der Beträge die Hauptwerte (117.000 und 17.000) anzusetzen wären, da es sich ja auch um mehrere verschiedene Angelegenheiten handelt. Ich würde aber eher die tatsächlich eingezahlten Beträge zugrunde legen. Was meint Ihr dazu?

Nun meine moralische Frage:
Wenn der Mandant von Anfang an mitteilt, dass er nicht viel Geld zur Verfügung hat (Frau hat letztes Jahr im Nov. entbunden und befindet sich in Elternzeit und er befindet sich in INSO). Finde es irgendwie ungerecht, dass er - obwohl er immer wieder darauf hingewiesen hat - jetzt doch noch soviel zahlen muss. Eigentlich ist es ja unsere Aufgabe zu schauen, dass die Kosten nicht wesentlich überstiegen werden oder? Mir geht das moralisch irgendwie nahe, weil der Mandant nun nicht weiß wie er es zahlen soll. Wie seht Ihr das Ganze?

Danke für Eure Meinungen und LG
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Adelia
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#2

03.09.2010, 09:34

Was ich aber jetzt gar nicht verstehe. Ihr habt über diese Angelegenheit, also diese Rückabwicklung, eine Honorarvereinbarung geschlossen und habt einen Vorschuss von 1.200,00 EUR von eurem Mandanten verlangt und danach nochmal nach eurer Zeitaufstellung 1.400,00 EUR. Hättet ihr den Vorschuss nicht anrechnen müssen?
Und wenn ihr euch geeinigt habt, dass nach der Vereinbarung abgerechnet wird, wieso jetzt noch eine RVG-Abrechnung? Verstehe ich das jetzt falsch, aber rechnet ihr das dadurch jetzt nicht doppelt und dreifach ab?
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Aurora-Sun
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#3

03.09.2010, 09:49

Also meiner Meinung nach könnt ihr jetzt nicht nach RVG abrechnen wenn Ihr eine Honorarvereinbarung getroffen habt und bereits Zahlungen darauf geleistet wurden. Ihr könnt lediglich einen MB über den Restbetrag erwirken wenn ihr meint dass er nicht zahlen kann und dann im Wege der ZV versuchen das Restgeld einzutreiben...

Vielleicht solltest Du uns einfach mal sagen welcher Betrag nun insgesamt mit der Honorarvereinbarung vereinbart wurde...sonst führt das nur zu Verwirrungen :shock:
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Adelia
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#4

03.09.2010, 09:52

Ich würde eher sagen, wenn dann müssten man doch die Forderungen im Insolvenzverfahren angemeldet werden. Aber ich weiß nicht, ob da vielleicht seine Insolvenz in Gefahr ist, weil er wusste, dass er nicht zahlen und jetzt nicht zahlt (auch wenn er es gesagt hat).
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#5

03.09.2010, 09:58

aah das mit dem InsO hatte ich überlesen sorry :?
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#6

03.09.2010, 10:02

Wenn der Mandant von Anfang an ehrlich war und gesagt hat, daß er ein Inso-Verfahren hat und dennoch eine Honorarvereinbarung mit ihm abgeschlossen wurde (und das nicht gerade in unbeträchtlicher Höhe), finde ich das für mich persönlich ganz schön bedenklich. Ich hoffe mal, es geht dann nicht so weit, daß die Tatsache, daß er die Forderung wirklich nicht zahlen kann, dazu führt, daß er sein Inso-Verfahren gefährdet.

Ich weiß, daß auch Anwälte ihr Geld verdienen müssen, aber vielleicht ist manchmal ein wenig Fingerspitzengefühl gefragt.
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#7

03.09.2010, 10:11

ich würde aber auch sagen, er hat eigentlich alles bezahlt. Denn der verlange Vorschuss sollte meines Erachtens auf die Abrechnung nach Honorarvereinbarung angerechnet werden. So wäre nur noch ein Betrag in Höhe von 200,00 EUR offen auf die Rechnung und da er 300,00 EUR gezahlt, hat er sogar noch ein wenig mehr gezahlt.
An seiner Stelle hätte ich auch nichts mehr gezahlt.
Was habt ihr eigentlich für einen Stundensatz? Wenn der Mandant sagt, dass er nicht viel Geld hat, hätte man dann nicht überlegen können, den Stundensatz vielleicht auch ein wenig geringer anzusetzen?
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#8

03.09.2010, 12:06

Danke für Eure Antworten!

Also es ist so, dass wir eine Gegenüberstellung machen sollten. Tatsächlicher Aufwand (240 EUR/h) gem. Honorarvereinbarung im Vergleich zur Abrechnung nach RVG. Deswegen weiss ich jetzt nicht, was im Falle der RVG-Abrechnung als Gegenstandswert zugrunde legen soll. Zur Klarstellung sollte ich noch erwähnen, dass der Vorschuss in Höhe von 1200 EUR verbraucht wurde und die 1300 EUR nachträglich angefallen sind. Deswegen finde ich es nicht ganz fair gegenüber dem Mandanten, dass dieser Betrag noch nachgefordert wurde obwohl er ja um Info gebeten (sobald der Vorschuss verbraucht ist) und seine finanzielle Situation von Anfang an geschildert hat. Der Mandant kann ja nicht wissen, wieviel Aufwand der Anwalt hat und wann der Vorschuss verbraucht ist. Auch wenn es nicht mein Problem ist, aber der Mandant wurde so ja eigentlich unverschuldet in diese Situation gebracht. Bei uns ist die Honorarvereinbarung an erster Stelle und der Mandant wird nicht die Wahl gehabt haben, wonach abrechnet werden soll.
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#9

03.09.2010, 16:25

Ich bin ganz persönlich der Meinung, dass der Anwalt da hätte schauen müssen, was für den Mandanten am besten ist und mit ihm drüber hätte reden müssen, nachdem der Vorschuss verbraucht ist, ob er überhaupt noch weiter tätig werden soll oder nicht.

Wenn ich dieser Mandant wäre, würde ich mich von meinem Anwalt ziemlich verarscht fühlen.
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#10

03.09.2010, 16:41

Adelia hat geschrieben:Ich bin ganz persönlich der Meinung, dass der Anwalt da hätte schauen müssen, was für den Mandanten am besten ist und mit ihm drüber hätte reden müssen, nachdem der Vorschuss verbraucht ist, ob er überhaupt noch weiter tätig werden soll oder nicht.

Wenn ich dieser Mandant wäre, würde ich mich von meinem Anwalt ziemlich verarscht fühlen.
dito :|

Als GW für RVG wäre wohl aufgrund der Rückabwicklung der Gesamtwert anzusetzen. Aber ganz ehrlich, korrekt fände ich es nicht in Anbetracht der Tatsache, dass der Mandant bereits VOR Anfall der Stunden etc. gesagt hat, dass er bitte informiert werden möchte, wenn der Vorschuss aufgebraucht ist.
Ciao Kasi

Wenn Liebe einen Weg zum Himmel fände und Erinnerungen zu Stufen würden,
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