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Mehrwertsteuer auf fiktive Reisekosten

Verfasst: 30.03.2010, 16:48
von Saskia_Alice
Hallo,

Frage:
Gegenseite ist eine Versicherung und hat für einen Termin fiktive Fahrtkosten (0,30 €/km + Abwesenheitsgelder) als Parteiauslagen geltend gemacht und hieraus auch die MwSt berechnet? Ist das korrekt?
Wenn ich bisher für eine "natürliche Person" die Fahrtkosten geltend gemacht habe (soweit ich weiß geht das auch nur, wenn das persönliche Erscheinen angeordnet wurde), habe ich hier "nur" die Fahrtkosten gem. §§ 19 Abs. 1 Nr. 2, 5 Abs. 2 Nr. 1 JVEG i. V. m. § 91 ZPO in Höhe von 0,25 €/km ohne Mehrwertsteuer geltend gemacht.

Wie seht Ihr das? Ist das so in Ordnung und wenn nicht, was kann ich argumentativ dagegen halten?

Vielen Dank für Eure Antworten.

LG

Re: Mehrwertsteuer auf fiktive Reisekosten

Verfasst: 30.03.2010, 17:02
von gkutes
die Versicherung dürfte auch nur 0,25 €/km bekommen. Warum eigentlich fiktiv?
das mit dem persönlichen Erscheinen ist schon lange vom Tisch. Parteikosten gehen immer - WENN auch welche entstanden sind! Und mE ohne Steuer..!?

Re: Mehrwertsteuer auf fiktive Reisekosten

Verfasst: 30.03.2010, 17:13
von cjdenver
Wenn ich bisher für eine "natürliche Person" die Fahrtkosten geltend gemacht habe, habe ich hier "nur" die Fahrtkosten gem. §§ 19 Abs. 1 Nr. 2, 5 Abs. 2 Nr. 1 JVEG i. V. m. § 91 ZPO in Höhe von 0,25 €/km ohne Mehrwertsteuer geltend gemacht.
Korrekt, es gelten 25 cent je km, ohne MWSt. Denn die Versicherung würde ja nicht als Unternehmen am Termin teilnehmen, sondern einer ihrer Vertreter, und der darf natürlich keine MWSt. draufschlagen. Das gilt auch für den Verdienstausfall, der Euro 17 die Stunde beträgt ;)
(soweit ich weiß geht das auch nur, wenn das persönliche Erscheinen angeordnet wurde)
FALSCH! Wie gkutes schon geschrieben hat, die Partei kann IMMER am Termin teilnehmen.

Re: Mehrwertsteuer auf fiktive Reisekosten

Verfasst: 30.03.2010, 17:20
von gkutes
aber bei "Versicherung" klingelt irgendwie was bei mir-weiß nur nicht genau was :|

den Sachverhalt musst du noch ein bisschen konkretisieren, saskia. Sitzt die Versicherung evlt weiter weg vom Gericht, als ihr RA?

Re: Mehrwertsteuer auf fiktive Reisekosten

Verfasst: 30.03.2010, 18:28
von 13
Weshalb werden eigentlich überhaupt fiktive Reisekosten angesetzt?

Re: Mehrwertsteuer auf fiktive Reisekosten

Verfasst: 30.03.2010, 21:03
von advocatus diaboli
cjdenver hat geschrieben:Denn die Versicherung würde ja nicht als Unternehmen am Termin teilnehmen, sondern einer ihrer Vertreter, und der darf natürlich keine MWSt. draufschlagen. Das gilt auch für den Verdienstausfall, der Euro 17 die Stunde beträgt ;)
Doch, die Versicherung würde als Unternehmen am Termin teilnehmen, vertreten durch den Mitarbeiter X. Auf die Person des Erschienenen kann beim Parteivertreter im Gegensatz zum Zeugen m.E. nicht abgestellt werden. Umsatzsteuer fällt hier m.E. nicht an. Das kommt nur in Betracht, wenn die Versicherung ihr von einem externen Dritten (= RA) berechnete Kosten anmelden würde (Versicherungen sind nicht vorsteuerabzugsberechtigt). Eine etwaige Reisekostenerstattung im Innenverhältnis zwischen der Versicherung und dem Mitarbeiter X ist nicht umsatzsteuerpflichtig.

Der Vollständigkeit halber (da nicht Gegenstand der Ausgangsfrage): Verdienstausfall kann bei Terminsvertretung durch einen Mitarbeiter der Partei m.E. nicht angemeldet werden, da dieser in Wahrnehmung seiner Tätigkeit den Termin wahrnimmt.

Re: Mehrwertsteuer auf fiktive Reisekosten

Verfasst: 30.03.2010, 21:32
von cjdenver
@a.d.

sorry, hab mich falsch ausgedrückt; richtig, Partei im Verfahren ist die Versicherung als Unternehmen. Sie kann aber als Unternehmen nicht im Termin erscheinen, denn Unternehmen erscheinen nicht vor Gericht. Sie wird durch einen Mitarbeiter vertreten. Sie kann aber als Partei die Kosten für die Reise und den Verdienstausfall (und Übernachtungskosten und Tagegeld und und und) ihres Mitarbeiters verlangen. Das sind die 25 cent je km und der Verdienstausfall in Höhe des Mitarbeitergehaltes. Denn der Mitarbeiter wird eben nicht eingestellt, um Termine vor Gericht wahrzunehmen, sondern um der Versicherung Profit zu bringen, somit verliert sie die Arbeitskraft ihres Mitarbeiters für die Zeit des Gerichtstermins und ihr steht damit entsprechender Verdienstausfall zu (siehe z.B. KG Beschl. v. 13.03.2007 - 1 W 257/06; OLG Brandenburg Beschl. v. 04.01.08 - 6 W 181/07).

Umsatzsteuer hierauf kann die Versicherung jedoch deswegen nicht geltend machen, da es nicht ein Umsatz, sondern Ersatz für Auslagen (nämlich die an den Mitarbeiter zu zahlenden Fahrtkosten und die dem Mitarbeiter als Gehalt zu überweisenden Verdienst) ist.

Gruß,

Chris

Re: Mehrwertsteuer auf fiktive Reisekosten

Verfasst: 30.03.2010, 21:39
von advocatus diaboli
cjdenver hat geschrieben:Denn der Mitarbeiter wird eben nicht eingestellt, um Termine vor Gericht wahrzunehmen, sondern um der Versicherung Profit zu bringen, somit verliert sie die Arbeitskraft ihres Mitarbeiters für die Zeit des Gerichtstermins [...]
@cjdenver:

Das kommt darauf an, würde ich sagen. Wenn der Gerichtstermin z.B. durch einen Mitarbeiter der Rechtsabteilung wahrgenommen wird, kann man das m.E. nicht sagen. Dann müßte man wohl zum Kostenfestsetzungsantrag hinterfragen, welche Funktion der Mitarbeiter im Unternehmen hat.

Re: Mehrwertsteuer auf fiktive Reisekosten

Verfasst: 30.03.2010, 21:44
von cjdenver
@a.d.

hatte ich auch gedacht, aber scheinbar nicht ;) ich zitiere aus dem vorgenannten Beschluss des OLG Brandenburg:

"Nach § 91 I 2 ZPO sind die in einem Rechtsstreit wegen notwendiger Reisen und zur
notwendigen Wahrnehmung von Terminen entstandenen Zeitversäumnisse nach den für die
Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften zu entschädigen. § 91 I 2 ZPO findet auch
bei der Zeitversäumnis juristischer Personen Anwendung. Dabei ist es nicht erforderlich, dass
die Zeitversäumnis bei dem Organ oder gesetzlichen Vertreter selbst eintritt. Es reicht aus,
dass der Termin durch einen Mitarbeiter wahrgenommen wird.

Die Entschädigung ist entsprechend der Vorschrift über den Vergütungsausfall (§ 22 JVEG)
zu berechnen. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte einen konkreten eigenen
Verdienst- oder Gewinnausfall auf Grund des Einsatzes ihres Mitarbeiters zur
Terminswahrnehmung nicht dargelegt hat. Denn es reicht zur Anwendung der Vorschriften
aus, dass die Lebensstellung des Betroffenen und seine regelmäßige Erwerbstätigkeit die
Vermutung rechtfertigen, dass sie überhaupt einen Verdienst- oder Gewinnausfall erlitten hat.

Die Höhe der Entschädigung ist dann unter Berücksichtigung aller Umstände gegebenenfalls
zu schätzen. Eine Beschränkung der Entschädigung wegen des Fehlens eines konkreten
Nachweises über den zeitbedingten Verdienst-, Gewinn- oder Erwerbsausfall ist nicht
gerechtfertigt. Dies folgt daraus, dass die Erstattungsvorschriften keinen besonderen Nachweis
eines Verdienstausfalles vorsehen. Eine Entschädigung scheidet nach der gesetzlichen
Konzeption nur dann aus, wenn überhaupt kein Nachteil ersichtlich ist, wobei als Nachteil
jede Beeinträchtigung anzusehen ist (KG Beschluss vom 13.3.2007, 1 W 257/06 m.w.N.; vgl.
auch OLG Karlsruhe Beschluss vom 27.6.2005, 15 W 28/05 – jeweils zitiert nach Juris)."

Der andere Bericht vom KG erklärt dann noch

"Eine Entschädigung scheidet hier nicht deshalb aus, weil der Klägerin ersichtlich
keine Nachteile durch die Terminwahrnehmungen entstanden wären (vgl. dazu §§
2 Abs. 3 Satz 5 ZSEG, § 20 JVEG). Die Klägerin ist als
Personenhandelsgesellschaft, die sich nicht allein mit der Verwaltung eigenen
Vermögens beschäftigt, notwendiger Weise gewerblich tätig (§ 1 Abs. 2 HGB), so
dass eine Gewinnerzielungsabsicht für die Geschäftstätigkeit unterstellt werden
kann.
Für die Wahrnehmung der Termine hat sie angestelltes und von ihr
bezahltes Personal eingesetzt, so dass von einer nicht nur immateriellen
Beeinträchtigung durch die Terminwahrnehmung ausgegangen werden kann und
eine Entschädigung für die Zeitversäumnis zugesprochen werden muss."

;)

Re: Mehrwertsteuer auf fiktive Reisekosten

Verfasst: 30.03.2010, 22:07
von advocatus diaboli
Interessant. Mir war bisher nur bekannt, daß wohl der Selbständige als Partei auch Verdienstausfall anmelden kann. Allerdings könnte nach den genannten Entscheidungen dann vielleicht auch zu prüfen sein, was genau die Geschäftstätigkeit der Partei ist. Wenn eine Partei, die - z.B. aus dem bisherigen Schriftverkehr ersichtlich - eine eigene Rechtsabteilung hat, Verdienstausfall für die Terminswahrnehmung durch einen Mitarbeiter der Rechtsabteilung anmeldet, kann ich mir nach wie vor nicht vorstellen, daß das durchgeht.