Teilweise freigesprochen bei Pflichtverteidigung

...für das vom 01.07.2004 bis 31.07.2013 geltende Gebührenrecht
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ich
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#1

23.03.2010, 10:47

Kann mir jemand von euch helfen?
Wir waren nur im Berufungsverfahren in einer Strafsache für den Mdt. tätig und wurden als Pflichtverteidiger beigeordnet (in 1. Instanz hatte Mdt. keinen Anwalt). Nun wurde der Mdt. teilweise verurteilt, teilweise freigesprochen. Wegen den Kosten heißt es im Urteil

"Der Angeklagte trägt die Kosten des Ber.-Verfahrens und seine notwendigen Auslagen, soweit er verurteilt wurde. Soweit er freigesprochen wurde, trägt die Staatskasse die Kosten beider Rechtszüge, einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten."

Wie rechne ich hier ab?
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#2

23.03.2010, 11:01

Du machst eine Differenzberechnung. Es gibt hier unzählige Threads dazu, die Du über die Suchfunktion finden kannst. Stichworte sind "Teilfreispruch", "Differenztheorie", oder "Beschwerde Strafsache".

Wenn du genug dazu gelesen hast, kannst Du Deine Gedanken hier einstellen. Falls es dann noch Fragen gibt, helfen wir gern weiter. :wink:
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#3

23.03.2010, 11:20

ich habe vorab schon gesucht und leider nichts passendes gefunden.

Dass ich eine Differenzberechnung machen muss, hab ich mir schon gedacht, aber wie genau funktioniert die?

Wahlanwaltsgebühren abzgl. Pflichtverteidigergebühren und gleichzeitig eine Abrechnung mit Pflichtverteidigungsgebühr?
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#4

23.03.2010, 11:30

1. Abrechnung Pflichtverteidigervergütung. Die machst Du immer zuerst, das ist sicheres Geld, das Dir keiner nehmen kann. Ausnahme nur, wenn der Mandant vollumfänglich freigesprochen wurde und Schwierigkeiten bei der Erstattung (Aufrechnung der Staatskasse, Abrechnung über Mittelgebühr) nicht zu erwarten sind.

2. Differenzberechnung. (Wahlanwaltsvergütung für gesamte Verteidigung) minus (Wahlanwaltsvergütung für Verurteilung) gleich (erstattungsfähiger Betrag). Diesen Betrag kann der Mandant aus der Staatskasse verlangen. Der Betrag darf aber zusammen mit der beantragten PV-Vergütung nicht mehr ergeben, als oben für die gesamte Verteidigung veranschlagt wurde.

3. Da Ihr nur in der Berufung tätig wart, könnt Ihr natürlich auch nur dafür abrechnen. GG nicht vergessen, die ist ja trotzdem angefallen.
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#5

23.03.2010, 12:14

Was meinst du mit "Wahlanwaltsvergütung für Verurteilung"?
Warte ich nun mit dem Antrag nach 2. bis die Vergütung gem. 1. da ist?
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#6

23.03.2010, 12:28

Du mußt eine fiktive Kostenrechnung derjenigen Vergütung vornehmen, die entstanden wäre, wenn Ihr nur wegen des verurteilten Vorwurfes verteidigt hättet. Diese Kosten muß der Mandant selbst tragen, weil er ja verurteilt wurde und diese Kosten also ohnehin entstanden wären. Nur die darüber hinausgehenden Kosten kann er aus der Staatskasse ersetzt verlangen.

Wenn Du die Berechnung so vornimmst wie von mir oben geschildert, dann mußt Du mit dem 2. Antrag nicht warten. Du mußt nur sicherstellen, daß Du insgesamt nicht mehr beantragst, als die gesamte Wahlanwaltsvergütung.

Beispiel: PVV gesamt 800 EUR, WVV gesamt 1.200 EUR, Anteil des verurteilten Vorwurfes fiktiv WVV 1.000 EUR

1. Antrag PVV aus Staatskasse 800 EUR
2. Antrag WVV gesamt minus WVV fiktiv gleich 200 EUR

Differenzbetrag zur WVV gesamt kann beim Mandanten gemäß § 52 Abs.1 und 2 abgerechnet werden.
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#7

23.03.2010, 16:02

Fiktive Abrechnung?
Wären wir nur für die Verteidigung des verurteilten Vorwurfs tätig gewesen, wären die gleichen Gebühren in gleicher Höhe (jeweils Mittelgebühren der Gebühren 4100, 4124, 4126) entstanden.
Was muss ich nun hier machen? WVV minus PVV?
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#8

23.03.2010, 17:26

Tja, es gibt ein Ermessen, das der RA gemäß § 14 ausüben muß, um die Gebühren zu bestimmen. Wenn ihr in beiden Fällen die gleichen Gebühren abgerechnet hättet, dann gibt es halt keine ausscheidbaren Kosten, die die Staatskasse tragen muß. Die Rechnung ändert sich deshalb nicht. Du solltest überlegen, ob die Kosten bei der Verteidigung gegen mehrere Vorwürfe evtl. höher ausfallen?
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