Unkenntnis Insolvenzeröffnung u. Titel im Insolvenzverfahren

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Nadinese
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#1

05.04.2013, 15:17

Hallo Zusammen,

ich bin neu hier im Forum und hoffe, dass ihr mir ggf. bei folgendem Fall weiterhelfen bzw. Denkanstöße geben könnt.

Folgender Fall hat sich zugetragen:

Vertragszeitpunkt 10.02.2012, Rechnungslegung Juni 2012, Vollstreckungsbescheid Januar 2013 erwirkt.

Schuldnerin stellt am 08.02.2012 Antrag auf Eröffnung Insolvenzverfahren. Eröffnung Insolvenzverfahren ist am 20.02.2012 erfolgt.

Die Gläubigerin hatte keinerlei Kenntnis vom Insolvenzverfahren und hat die Titulierung vorgenommen.

Jetzt kam beim ZV-Versuch heraus, dass die Schuldnerin das oben erwähnte Insolvenzverfahren laufen hat.

Die Schuldnerin hat die Gläubigerin im Insolvenzverfahren nicht mit angegeben.

Jetzt fand bereits schon die Schlussverteilung statt und somit kann auch eine nachträgliche Anmeldung der Forderung zur Tabelle ja bekanntlich nicht mehr stattfinden. (Oder?)

Wie verhält es sich denn mit dem (rechtskräftigen) Vollstreckungsbescheid???

Kann unsere Gläubigerin aus diesem nach der Wohlverhaltensphase wieder die Zwangsvollstreckung betreiben? Der Insolvenzverwalter hat von unserer Gläubigerin ja keine Kenntnis.

Oder ist der Vollstreckungsbescheid gar nicht wirksam, da dieser im Insolvenzverfahren gegen die Schuldnerin erwirkt worden ist?

Ich kenne mich mit Insolvenz fast gar nicht aus und habe diesen Sonderfall...

Ich wäre für Ratschläge, Rückantworten sehr dankbar.

Schön wäre es auch, wenn ihr mir Gesetzesquellen nennen könntet. Meine Chefin besteht da immer drauf.

Viele Grüße,
Nadine
Jupp03/11

#2

05.04.2013, 15:41

Vielleicht hilft das weiter:

Gericht: BGH 9. Zivilsenat
Entscheidungsdatum: 28.06.2012
Aktenzeichen: IX ZB 259/11
Dokumenttyp: Beschluss
Quelle:
Norm: § 290 Abs 1 Nr 6 InsO

Restschuldbefreiungsverfahren: Nichtaufnahme eines Gläubigers in das Forderungsverzeichnis als Versagungsgrund
Orientierungssatz
Der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO setzt nicht voraus, dass die falschen oder unvollständigen Angaben zu einer Gläubigerbenachteiligung geführt haben. Es reicht vielmehr aus, dass die Pflichtverletzung ihrer Art nach geeignet ist, die Befriedigung der Gläubiger zu gefährden. Das ist immer dann der Fall, wenn der Gläubiger einer Insolvenzforderung nicht im Verzeichnis aufgeführt ist, weil dadurch seine Teilnahme am Verfahren in Frage gestellt wird. Ob es dem Gläubiger gelungen ist, seine Forderung noch rechtzeitig anzumelden, ist unerheblich (Fortführung BGH, 2. Juli 2009, IX ZB 63/08, NZI 2009, 562 und BGH, 24. März 2011, IX ZB 80/09, ZInsO 2011, 835).(Rn.10)
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#3

05.04.2013, 15:59

Ob hier eine weitere Vollstreckung sinnvoll/möglich ist, hängt auch davon ab, ob es sich um eine natürliche Person oder eine Gesellschaft handelt.

Der Titel ist wirksam. Zwar ist eine Titulierung von Insolvenzforderungen wegen § 87 InsO unzulässig, aber sofern der Insolvenzschuldner keinen Einwand erhebt, erwächst der Titel in Rechtskraft.
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Nadinese
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#4

05.04.2013, 16:08

Erst einmal vielen Dank für die Rückantworten.

Es handelt sich um eine natürliche Person. Die Schuldnerin hat den MB und den VB gegen sich ergehen lassen und keinen Einwand (Widerspruch/Einspruch) erhebt.

Es wäre jetzt sehr ärgerlich für die Gläubigerin, wenn die Forderung "futsch" wäre, da wir eine Anmeldung zur Tabelle ja leider nicht mehr vornehmen können.

Kann die Gläubigerin dann also nach der Wohlverhaltensphase aus diesem Titel die Zwangsvollstreckung wieder betreiben?

Die Schuldnerin sollte dann ja - so gut wie es geht - eben schuldenfrei sein...
Spargelranger
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#5

05.04.2013, 17:04

Eine Aufnahme von Forderungen in das Schlussverzeichnis nach Anberaumung des Schlusstermins ist grdsl. nicht mehr möglich (abgesehen von angemeldeten, aber noch bestrittenen oder für den Ausfall festgestellten Forderungen). Eine nachträgliche Anmeldung und gerichtliche Prüfung weiterer Forderungen kann dann unter Umständen zwar noch bis zum Schlusstermin klappen, dies nutzt dem Gläubiger aber nur etwas, wenn es sich um eine Forderung aus vbuH handelt oder Versagungsgründe vorliegen.

Wenn die Forderung nicht mehr angemeldet werden kann (also nach ST), kann auch keine Versagung beantragt werden, denn das können nur die teilnehmenden Insolvenzgläubiger, vgl. §§ 290 Abs.1 InsO, 296 Abs. 1 InsO. Im geposteten Urteil handelte es sich um einen Gläubiger, der Forderungen angemeldet hatte und Versagungsantrag aufgrund der vom Schuldner im Gläubigerverzeichnis angegegeben (nach seiner Meinung zu niedrigen) Forderungshöhe stellte. Das Urteil ist in diesem Falle also nicht einschlägig.

Genau aus diesem Grunde spricht § 301 InsO (Wirkung der Restschuldbefreiung) auch von der Wirkung gegen alle Insolvenzgläubiger und erwähnt dann in S. 2, dass dies auch für die Gläubiger gilt, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben.

Ein möglicher Ansatz wäre vielleicht, dass eure Forderung möglicherweise keine Insolvenzforderung ist.
Vertragszeitpunkt 10.02.2012, Rechnungslegung Juni 2012, Vollstreckungsbescheid Januar 2013 erwirkt.

Schuldnerin stellt am 08.02.2012 Antrag auf Eröffnung Insolvenzverfahren. Eröffnung Insolvenzverfahren ist am 20.02.2012 erfolgt.
Die Frage ist, ob euer Anspruch zum Zeitpunkt der Eröffnung am 20.02.2012 schon entstanden war. Wenn der Anspruch erst nach EÖ entstanden ist, ist eure Forderung nicht von der RSB umfasst und ihr könnt nach RSB Erteilung (da es während des laufenden Verfahrens ja nicht viel zu pfänden geben dürfte) wieder vollstrecken.
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