Stress mit dem Azubi

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lupus
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#1

03.06.2014, 16:22

Hallo Leute,
ich bin mit meinen Latein am Ende, seit März haben wir einen Azubi, das ist unser erster Azubi überhaupt. Wir haben den Azubi der im zweiten Ausbildungsjahr ist, nach dem Tod eines befreundeten Anwalts übernommen. Seit zwei Wochen ist er nun in unserer "Abteilung" um etwas über die Aufgaben und Arbeitsweisen in unsrem Haus zu lernen.
Letzte Woche nun hat er uns von einer Geschichte, die er wohl in der Berufsschule mitbekommen hatte, erzählt. Dabei ging es um die Ansteckung mit einer übertragbaren Krankheit. Soweit so gut, nun kommt aber mein Problem, alle Kollegen in unserem Büro (wir sind zu viert ohne den Azubi) sind entgegen seiner Meinung der ansicht, dass es sich nicht um eine Straftat handelt. Wobei der Azubi mit $$ aus dem StGB umsich geworfen hatte. Da unser Büro nichts mit Straffsachen zu tun hat, haben wir nicht juristisch argumentiert sonder "nur" den gesunden Menschenverstand benutzt (uns ist schon klar, dass sich das oft ausschließt :pfeif ). Seit diesem "Vorfall" spricht unser Azubi nicht mehr mit uns, wenn wir ihm eine Aufgabe zuteilen, bekommen wir erst mit, ob er sie verstanden hat oder auch nicht, wenn er sie erledigt hat.
Ich hatte schon mehrfach versucht mit ihm darüber zu sprechen, er sieht nicht ein, dass er wegen einer Meinungsverschiedenheit nicht so rumbocken kann wie ein kleines Kind. Achja, er hält uns, weil wir uns mit dem StGB nicht auskennen für Idioten.
Ich weiss nicht was ich mit ihm weiterhin machen soll, zumal nicht ausgeschlossen ist, dass er uns hier im Büro erhalten bleibt.
Bitte Bitte habe einen guten Rat für mich :thx
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Andy66
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#2

03.06.2014, 17:10

Hallo Lupus,

damit ich das richtig einsortiere: Ihr hattet Euch in der Wolle, weil euer Azubi eine andere "Rechtsmeinung" vertreten hat als der Rest der Belegschaft? Und das hatte nichts wirklich mit der Arbeit zu tun, sonden es ging quasi um nicht mehr als um eine Geschichte bzw. Fallbeispiel oder irgendeine Räuberpistole, die an der Berufschule kursiert?

Und warum habt ihr deshalb jetzt Gnatsch? Ein Azubi im 2. Lehrjahr wird nach meiner Ansicht selbst auf keinen Fall die notwendigen Rechtskenntnisse besitzen, um hier zu einer fundierten Rechtsauffassung zu gelangen. Es gibt wohl an den Berufsschulden (und auch an den Unis) solche rein akademischen Fallstellungen, an denen sich dann Debatten entzünden und einige meinen, dann mit irgendeinem obskuren Wissen herausstechen zu können. Oder hat Euer Azubi den Jura studiert mit Spezialisierung auf Strafrecht? Nur weil er die §§ im Gesetz findet, heißt das noch nicht, dass er in der Lage ist, sie auch anzuwenden und auszulegen. Das ist Expertenwissen, sonst müsste man das nicht jahrelang studieren.

Wichtig meiner Meinung nach - auch für den Betriebsfrieden -: erst gar nicht auf sowas einlassen. Wenn irgendjemand eine Räuberpistole erzählt, einfach reden lassen. Besonders, wenn man selber nicht wirklich was dazu sagen kann.

Und warum spricht der Azubi jetzt nicht mehr? Ist die Debatte persönlich geworden oder ist er nur beleidigt, weil er mit seinem Wissen/seiner Ansicht nicht punkten konnte? Falls sich jemand im Ton vergriffen haben sollte, sollte hier unbedingt die Luft geklärt werden. Entschuldigungen - beiderseits - sind hier angebracht, damit nichts sauer wird.

Ich kenne den Azub nicht, aber vielleicht ist es eine gute Idee, erst mal gleichbleibend freundlich zu ihm zu bleiben und ihn erst mal ausdampfen zu lassen. Wenn er sich dann in absehbarer Zeit nicht wieder einkriegt, dann sollte man das Gespräch suchen und klären, wo genau die Probleme liegen. Und ggf. auch selber zugeben, wenn man sich im Eifer des Gefechts im Ton vergriffen hat.

Leistungsverweigerungen usw. gehen natürlich gar nicht. Wenn ihr da allen keinen Draht findet, solltet ihr ihm klar machen, dass das eventuell auf eine Abmahnung rauslaufen kann. Chefs halten sich ja gerne raus, wenn Ärger im Büro ist. Aber vielleicht könnt ihr da einen aus der Chefetage als "Mediator" finden.

Viele Grüße, Andy
Erfahrung ist das, was man bekommt, wenn man das was man will nicht kriegt
lupus
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#3

03.06.2014, 17:30

Hallo Andy66,

es geht tatsächlich nur um die unterschiedlichen "Rechtsmeinungen". Im Ton konnte sich niemand vergreiffen, da unser Azubi. nachdem er uns seine Meinung und die passenden $$ genannt hatte und wir trotzdem nicht von unserer Meinung zurückgeteten sind, einfach stehen gelassen hat.

Nein, die Debatte wurde auch nicht persönlich ausser, dass wir betont hatten dass unsere Meinung eine persönliche Einschätzung ist. Es wurde von uns aus auch nicht mit Leidenschaft behandelt. Es hat ihm einfach nicht gepasst, das wir uns nicht seiner Einschätzung angeschlossen haben.

Ich habe mir auch schon überlegt, ob ich nicht die Meinung von jemandem einholen soll, der sich wiklich mit Strafrecht beschäftigt, wobei ich gestehen muss, dass ich dann aber die Hoffnung habe, dass er mit seiner Auffassung richtig liegt, das wäre das einfachste.

Die Sache mit der Chefetage ist nicht wirklich gut, unsere Anwältin hier vor Ort hält ihn sowieso schon für ein Klotz am Bein und wollte ihn erst gar nicht haben, nur ist sie damit nicht durchgekommen. Und Abdampfen lassen klingt besser als es ist, er ist schon seit einer Woche am Abdampfen.

Es geht mir auch nicht darum, dass ich seine Auffassung nicht teilen bzw. verstehen kann, die Art wie er mit einer anderen Meinung umgeht kann ich nicht akzeptieren. Dazu kommt das ist wie gesagt unser erster Azubi, wir mussten uns noch nie mit Azubi's auseinandersetzen.

Viele Grüsse Mike
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Adora Belle
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#4

03.06.2014, 17:54

Ich versteh das Problem ehrlich gesagt nicht so wirklich. Der hat Euch irgendwelches juristische Faktenwissen an den Kopf geknallt, das er zufällig hatte, und Ihr nicht. (Ja, bewusste Ansteckung mit einer - gern auch tödlich verlaufenden - Krankheit ist vorsätzliche Körperverletzung.) So what? War beliebtes Klausurthema in den 90ern, kann man im Kommentar nachlesen, wenn es einen interessiert, und von dieser Art "Kuriosität" gibt es tausenderlei. Es ist doch häufig so, dass auch Leute, die eigentlich vom Fach sind, bestimmte Sachverhalte falsch einschätzen oder ganz laienhafte Meinungen dazu äußern, oder schlicht eben nix drüber wissen. Aber was hat das mit Eurer Arbeit zu tun und mit dem Verhältnis zum Azubi? Mir scheint, das Problem liegt ganz woanders. :cowboy
lupus
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#5

03.06.2014, 18:14

Hallo Adora Belle,

danke für den Hinweis, so einfach mit der bewusten Ansteckung ist es in seiner Geschichte nicht gewesen.

Mit unserer Arbeit hat das Fallbeispiel rein gar nichts zutun, nur ist er leider anscheinend noch immer beleidigt, dass er uns nicht überzeugen konnte. Desweben spriecht er leider trotzdem nicht mit uns das ist das Problem, wenn du das Problem vielleicht siehst, wo wir es nicht sehen vor lauter Wald und Bäume würde ich mich freuen, wenn du es mir sagen könntest.
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Adora Belle
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#6

03.06.2014, 18:41

Ihr wollt eigentlich nix mit ihm zu tun haben, und er meint, er hat am Stein der Weisen geleckt. Das ist nicht gut für ne hierarchische Situation wie ein Ausbildungsverhältnis.
lupus
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#7

03.06.2014, 19:03

Das wir eigentlich nix mit ihm zu tun haben wollen kann man so nicht sagen, wir haben ihn als er in unser Büro gekommen ist aufgenommen wie jeden anderen auch.
Das er meint am Stein der Weisen geleckt zu haben, den Eindruck habe ich auch. Deswegen ist es doch mein Wunsch, dass sich die Situation wieder normalisiert.
Aber deine Überlegung gefällt mir besser, ich hatte einen schlimmeren Verdacht. :thx
Ernie

#8

03.06.2014, 22:13

Wie alt ist der junge Mann eigentlich? Wie sind seine schulischen Leistungen? Ggf. lohnt es sich, ihn mit Herausforderungen zu fördern / fordern... Vielleicht sind ihm die ihm übertragenen Aufgaben zu leicht und er langweilt sich!? Ein klärendes Wort in einer ruhigen Minuten hat schon einiges bewirken können.
sanvic
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#9

04.06.2014, 07:58

Hallo, :wink1
da ich den Azubi ja nicht kenne kann ich letztendlich nur raten. Beim lesen stellte ich mir aber folgendes vor:

Azubi im 2ten Lehrjahr - Chef stirbt. Natürlich macht man sich da Gedanken, wie es mit der Ausbildung weitergeht. So wie ich das lese stand es ja bei euch auch auf der Kippe ob ihr ihn nehmt oder nicht. Da kann man schon mal Zukunftsängste kriegen. Dann kommt er (Gott sei Dank) in eine neue Kanzlei zu Leuten die er gar nicht kennt. Der Anfang ist ja scheins ganz gut gelaufen, sonst hätte er ja die Geschichte aus der Berufschule gar nicht erzählt. So und jetzt kommts: Er möchte mit (vermeintlichen?) Wissen punkten (und sich Beweisen?) und dann reden ihm 4 Leute dagegen. Das kann schon mal am Selbstvertrauen kratzen. Selbstredend dass er dann eingeschnappt ist. Wer hat schon gerne unrecht - noch dazu wenn man selbst felsenfest davon überzeugt ist, dass man recht hat?

Ich denke, dass er die lezten Wochen richtigen Stress hatte - gerade was seine berufliche Zukunft angeht.
Wenn er noch recht jung ist hat man mit sowas ja auch noch überhaupt keine Erfahrung und muss das irgenwie kompensieren.

Mein Rat: Schwamm drüber und einfach ganz normal behandeln. Wenn er die nächste Aufgabe erledigt hat, vielleicht mal ein kleines Lob in einem Nebensatz loswerden. Das nimmt auch die Spannung raus und bei Kritik ganz sachlich bleiben. Irgendwann gibt sich das bestimmt wieder... Viel Glück :knutsch
Pitt
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#10

04.06.2014, 08:27

Der Knackpunkt ist m. E., dass Ihr und der Azubi nicht freiwillig dieses Ausbildungsverhältnis eingegangen seid, sondern sich Euer Chef moralisch verpflichtet fühlte, nach dem Tod des ursprünglichen Ausbilders das Ausbildungsverhältnis quasi als letzten Freundschaftsdienst zu übernehmen. Ihr konntet Euch nicht auf den Azubi einstellen und der Azubi nicht auf Euer Büro. Ihr seid beide ins kalte Wasser geschmissen worden. Hinzu kommt, dass der andere RA evtl. schwerpunktmäßig in anderen Rechtsgebieten unterwegs war und viele Sachen dort einfach anders liefen. Oft reicht in so einer Situation schon ein kleiner Funke, um eine kleine Meinungsverschiedenheit eskalieren zu lassen und zur Grundsatzdiskussion zu erklären, wer hier wen nicht für voll nimmt. Genau das ist hier passiert. Der Streit ist erst letzte Woche passiert. Wenn Euer Azubi nun eine Woche oder 10 Tage vor sich hin schweigt, würde ich noch abwarten. Wenn das Ganze länger als 2 oder 3 Wochen anhält, würde ich vorschlagen, ein Vier-Augen-Gespräch mit dem Azubi zu führen und ihm klar zu machen, dass es in einer Demokratie absolut normal ist, dass Leute unterschiedliche Meinungen vertreten dürfen und dass das kein Grund ist, die Schweigemauer zu spielen, denn machen wir uns nix vor, man trifft im Laufe seines Berufslebens immer wieder Leute, mit denen man nicht klar kommt (habe hier selbst so ein Exemplar sitzen). Man hat dann drei Möglichkeiten: Entweder man füttert sein ablehnende Haltung gegenüber dieser Person mit jeder Kleinigkeit die einem an ihr/ihm missfällt ("hat schon wieder kein Papier im Kopierer nachgelegt, telefoniert schon wieder privat, überzieht die Mittagspause usw.") und ist dann irgendwann so weit, dass man schon k... könnte, wenn man nur die Stimme hört oder man legt den Schalter um und sagt sich, es geht hier darum, meine Arbeit vernünftig zu erledigen. Um nicht und nicht weniger. Wenn ich also mit einem Kollegen zusammenarbeiten "muss", um eine bestimmte Aufgabe zu erledigen, dann mache ich das. Dazu muss ich nicht mit ihm befreundet sein und wenn mich mein Kollege für einen Vollpfosten hält, dann ist das eben so. Wenn man damit nicht klar kommt, bleibt als dritte Möglichkeit noch, dass man schlicht getrennte Wege geht.
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