Wie kann ich Azubi mit Lernproblem helfen?

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niva
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#1

12.01.2016, 11:06

Ich brauche mal dringend euren Rat. Ich habe aktuell drei Azubis, eine im 2. Lehrjahr und zwei im ersten Lehrjahr. und eine davon ist aktuell mein Problem.

Zum Einen ist die unglaublich langsam. Am Anfang dachte ich ja, das legt sich mit der Zeit, wenn sie bei den Aufgabe einfach sicherer wird, da ja noch alles neu ist und es ja schließlich seine Zeit dauert bis das Routine in die jeweiligen Tätigkeiten reinkommt. Nur tut sich hier bislang gar nichts. Und das führt mich gleich zum nächsten Problem. Auch die einfachsten Dinge funktionieren immer noch nicht, aber ich fange mal von vorne an.

Mir ist schon gleich zu Anfang aufgefallen, dass sie große Probleme hat, sich das, was sie neu lernt zu notieren. Nachdem ich gesehen habe, dass es überhaupt nicht funktioniert, wenn sie sich selbst Notizen macht, habe ich zum Teil einfach diktiert, was sie sich notieren soll (Lernfaktor = Null, das ist mir klar). Zum anderen arbeite ich viel mit Vorlagen in Form von Screenshots. Die Screenshots enthalten absolut alles, was am PC angeklickt, eingetragen usw. werden sollen, und zwar Schritt für Schritt und dazu schreibe ich kurze Notizen, auf was zu achten ist usw. und es gibt Hintergrundinfos, also warum macht man das überhaupt oder ich schreibe z.B. Gesetztestexte dazu, die ich dann mit ihnen bespreche. Normalerweise setze ich mich dann beim ersten Durchgang zum Azubi, erkläre so ausführlich wie möglich und zeige alles und der Azubi ergänzt die Infos, die ihm in der Anleitung fehlen. Im zweiten Durchlauf lasse ich es die Azubis alleine mit der Vorlage versuchen, damit wir sehen, wo in der Anleitung noch Lücken sind und sie fragen mich dann immer, wenn irgendwo was nicht ganz 100%ig klar ist. Mit den anderen Azubis funktioniert das einfwandfrei und beim dritten Anlauf gibt es nur noch selten Rückfragen und ich kontrolliere nur noch das Ergebnis.

Bei ihr funktioniert das leider überhaupt nicht. Sie kommt ständig mit Rückfragen und die sind oft darauf zurückzuführen, dass sie die Anleitung einfach nicht liest (ist jedenfalls mein Eindruck, weil die Antworten auf ihre Fragen da stehen und es auch immer dieselben Fragen sind) bzw. fängt es schon dabei an, dass sie es nicht schafft, die richtige Anleitung zu finden, obwohl sie einen klaren Arbeitsauftrag hat (der natürlich ihrer Überschrift der Anleitung entspricht). Ich habe ihr schon mehrfach angeboten, mit ihr zusammen ihren Musterordner aufzuräumen, es kommt aber keine Rückmeldung. Ich habe ihr angeboten, dass ich mich zu ihr setze und es nochmal von Anfang an mit ihr zusammen mache, aber auch da kommt keine Rückmeldung. Mein einziger „Erfolg“ ist der, dass sie mit Fragen zu mir kommt und nicht mehr zur anderen Azubine, weil mir einfach wichtig ist, zu sehen wo ihre Problem sind und ich ihr ja gerne helfen möchte.

Es sind zum Teil leider sehr einfache Aufgaben, die nicht funktionieren. Ein Beispiel: Chefin bekommt sehr häufig Post vom Bußgeldamt und es sind dann 10 € oder 15 € zu überweisen. Sie hat eine schriftliche Anleitung, in der steht, welche Adressnummer sie in RAM zum Überweisen angibt, dass das Az. der Bußgeldstelle rein muss und der Begriff „Verwarngeld“, aber JEDESMAL und zwar wirklich JEDESMAL fragt sie mich, was sie in den Verwendungszweck schreiben soll. Ich bitte sie dann also ihre Notizen zu nehmen und nachzulesen. sie liest und liest und liest und liest… findet es meistens nicht… und irgendwann nach langem Suchen oder auch mit meiner Hilfe, findet sie es und es steht tatsächlich da und jedesmal bitte ich sie ihre Notizen so zu ergänzen, dass es beim nächsten Mal funktioniert. Fehlanzeige. :sad:

Soweit das eine Problem. Dann gleich zum nächsten. Ihre Rechtsschreibung ist die reinste Katastrophe. Auch hier weiß ich nicht, was ich dagegen tun kann. Eine Idee wäre, dass sie alle korrigierten Schriftstücke aufhebt und sich mal eine Liste mit ihren häufigsten Fehlern macht, vielleicht hilft das.

Aber trotzt allem: Sie ist motiviert. Sie WILL lernen. Sie fragt nach. Sie will neue Aufgaben übernehmen. Die Probezeit ist rum und diese Probleme sind mir wirklich erst danach so sehr bewusst geworden und jetzt geht die Ausbildung nun mal drei Jahre und ich brauche eine Lösung. Ich möchte diese Motivation nicht zerstören, sondern sie nutzen. Aber ich weiß nicht wie.

Ich hab auch schon Maßnahmen ergriffen und Gespräche mit ihr geführt. Zum einen das mich statt andere fragen, damit ich sehe, wo es hängt. Das funktioniert so weit gut (und das führt aktuell ja zu meiner Verzweiflung). Außerdem soll sie kein Telefon machen, wenn sie Band tippt oder sonst Aufgaben erledigt für die sie Ruhe braucht. Es hapert aber noch ein wenig an der Umsetzung und das es was bringt, sehe ich leider auch nicht. Sie telefoniert gerne und sie macht das auch wirklich gut, aber es lenkt sie von ihrer eigentlich Aufgaben nun mal ab.

Habt ihr irgendeine Idee, was ich tun kann? Wie kann ich ihr helfen, dass sie das noch lernt? Hab ich nach einem halben Jahr einfach zu hohe Erwartungen? Soll ich ihre Aufgaben runterschrauben? Und wie soll das gehen ohne sie zu demotivieren? sie sieht ja jetzt schon, dass ihre Mitazubine wesentlich mehr Aufgaben übernimmt. ich möchte, dass sie weiterhin gerne zur Arbeit kommt und motiviert ist und ich möchte ihr nicht nur 08/15-Praktikantenaufgaben übergeben, sondern ihr den Beruf beibringen.

So, ist leider ein wenig lang geworden. Also schon mal danke fürs Lesen.

An dieser Stelle eine Bitte an euch: bitte keine Diskussionen über die Unfähigkeit aller Azubis anfangen. Das hatten wir hier jetzt jedes Mal, wenn jemand eine Frage zu dem Thema gestellt hat zur Genüge. Nicht alle Azubis sind so und mein Problem löst es auch nicht. ;)
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#2

12.01.2016, 11:11

Wenn sie motiviert ist, würde ich ihr die Ruhe geben die sie braucht, vielleicht werden dann auch die Rechtschreib-/Flüchtigkeitsfehler weniger. Wie wäre es z. B. wenn sie bestimmte Telefonzeiten bekommt, in denen sie dann keine anderen Aufgaben übernimmt? Du hattest ja geschrieben, dass sie auch gerne telefoniert.
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#3

12.01.2016, 11:19

Wow, das ist schwierige Angelegenheit.
Also zum ersten Teil fällt mir nur ein, dass sie sich ihre Mustermappe ordentlich anlegen soll, mit Register A-Z, wo die Muster dann entsprechend abzulegen sind. Vielleicht machst du das mit ihr zusammen, damit du dann bei der nächsten Überweisung sagen kann: Unter U ist deine entsprechende Vorlage, schau bitte rein. Und wenn sie immer dieselben Fragen hat, soll sie die Antworten auf den Mustern entsprechend mit Textmarkern kennzeichnen.
Zu den Rechtschreibfehlern: Ich weiß nicht, ob es was bringt, wenn sie sich eine Liste mit den Fehlern macht. Vielleicht sollte sie die Wörter, die sie nicht kennt, im Duden nachschlagen. Oder sind es wirklich schon die einfachen Sachen, mit Groß- und Kleinschreibung? Dann sollte sie vielleicht mehr lesen (also Bücher in der Freizeit). Vielleicht ist sie ja auch bereit, einen Kurs an der AVHS zu besuchen.
Und wenn sie so motiviert ist und gern und gut telefoniert, sollte sie vielleicht auch dafür Zeit eingeplant bekommen, damit sie auch etwas machen kann, was ihr Spaß bringt.
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#4

12.01.2016, 11:27

Zunächst müsste man klären, ob sie evtl. an Legasthenie leidet, evtl. in Kombi mit ADHS oder ob allein die Lese-/Rechtschreibschwäche bei ihr zu den Konzentrationsstörungen führt. Denn wenn dem so ist, klappt die "normale Lernmethode" nicht, da kannst Du Dich als Ausbilderin noch so anstrengen. Es gibt aber für Legastheniker Anlaufstellen, wo Betroffene Hilfe finden, um das Problem in den Griff zu bekommen (komplett wegtrainieren klappt leider nicht) und unter anderem auch Bücher mit Lerntipps für den Alltag. Die Legastheniker, die ich kenne, haben immer erst auf konkrete Nachfrage eingestanden, dass sie betroffen sind bzw. haben mir die Eltern gesagt, dass dem so ist. Mein Bruder ist davon auch betroffen und der behauptet eher, dass er kurzsichtig ist und Dinge einfach nicht gesehen hat.
Wie gesagt, zunächst müsste man klären, ob es medizinisch gesehen mit dem Lernen nicht klappt oder sie einfach keinen Bock hat. Da hilft nur ein vertrauliches Gespräch, in der man ihr die Ist-Situation vor Augen führt. Die Frage ist ja auch, wie sie den Schulstoff für die Abschlussprüfung packen will, wenn es schon bei einfachen Arbeitsanweisungen hapert.
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#5

12.01.2016, 11:28

Zu der Rechtschreibung - Mein Chef in der Ausbildung hat meine Schreiben immer angestrichen (also die Fehler), so dass ich selbst korrigieren konnte. So merkt man selbst am besten, wo die Fehler liegen. Am besten ist es dann noch wenn der Chef einem erklärt, wieso das so ist. Es gibt ja immer die ein oder andere Sache, die man nicht versteht :3 Und nach Worten, die ich nicht kenne, Google ich immer direkt. Ich will ja auch verstehen was ich da schreibe.
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#6

12.01.2016, 11:32

Vielleicht solltest du sie fragen, ob sie in der Schule auch schon so Priobleme hatte in Rechtschreibung. (kann ja nicht jeder die weltherrschaft haben :pfeif )

Evtl. ist sie ein wenig legastenisch und man muss mit ihr üben. Es gibt da für den PC bestimmt Programme.
Und vielleicht könnten die beiden anderen mit ihr üben - so als eine Art Lerngruppe.

Ich finde es grundsätzlich toll, dass du sie nicht hängen lassen willst.
Tatjana

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#7

12.01.2016, 12:09

Danke für eure Rückmeldung.

An Legasthenie hab ich bisher noch gar nicht gedacht. aber ja, da werde ich sie mal ansprechen. es sind oft Groß- und Kleinschreibung, z.B. die Bitte um Kenntnisnahme, ich bitte Sie dies und das zu tun, das Sie/sie und Ihnen/ihnen und klar die Fachbegriffe (aber statt zu fragen oder zu googeln, schreibt sie es leider irgendwas, die andere Azubine fragt dann und dann erkäre ich auch das Wort und beim nächsten mal weiß sie es). aber es sind auch Endungen wie n und m oder Mehrzahl und Einzahl, was man bei sorgfältigen Lesen eigentlich erkennen sollte.

sie darf auch telefonieren, so ist das ja nicht. sie soll es nur eben nicht während sie was macht, wo sie sich konzentrieren muss. und grade weil sie es gerne macht, soll sie das auch weiterhin tun. ;)

das Alphabetische Register hab ihr auch schon vorgeschlagen. aber ich weiß nicht, ob sie umgesetzt hat. bisher hab ich ihr zwar angeboten, ihr beim Ordner zu helfen, aber es kam keine Rückmeldung. vielleicht muss ich sie doch dazu "zwingen".

Wie es in der Schule läuft, hab ich überhaupt keine Rückmeldung von ihr. da will ich aber auch auf jeden Fall noch nachfragen. sie will gerne verkürzen, aber da hab ich ihr schon gesagt, dass das von ihren Noten abhängt. Leider gibt es im ersten Lehrjahr keine Halbjahreszeugnisse. dann kommt das jetzt auch auf die Liste, was ich sie fragen muss.
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#8

12.01.2016, 12:22

Wie war den die Deutsch-Note auf dem Schulzeugnis, Niva?
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#9

12.01.2016, 12:40

Und was für einen Schulabschluss hat sie - evtl. wäre da dort eine Legasthenie festgestellt worden... Die Fehler, die du beschrieben hast, klingen jetzt aber auch nicht nach Legasthenie, sondern eher nach den "üblichen" Schwächen.
Sie sollte sich auf jeden Fall mal mit dem Duden anfreunden... :-)

edit: Mir fällt grad ein, dass wir auch mal einen Azubi mit Rechschreibdefiziten hatten. Da wurden dann die Fehler nur angestrichen und sie musste dann selber im Duden (ist schon ein paar Jährchen her :pfeif ) nach der richtigen Schreibweise gucken. Und dann wurd´s langsam auch besser, gerade was die Groß- und Kleinschreibung anging.
Zuletzt geändert von Whoville am 12.01.2016, 12:49, insgesamt 1-mal geändert.
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#10

12.01.2016, 12:49

Halbjahreszeugnisse gibt es bei uns auch nicht, allerdings bekommt man hier eine notenübersicht mit, die der Ausbilder unterschreiben muss. Vielleicht gibt es so was bei euch auch, da wüsstest du wie sie so steht.

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