Perspektiven für männlichen Ü30-Quereinsteiger?

In diesem Bereich können Themen rund um Fortbildung und Weiterbildung besprochen werden. Rechtsfachwirte und -interessierte bitte hier lang.
holzkopf

#1

04.11.2015, 17:08

Hallo an alle,

kurz zu meiner Person: Ich bin Anfang 30 und arbeite seit etwa eineinhalb Jahren an zwei bis max. drei Tagen pro Woche als Aushilfe im Sekretariat einer kleinen Rechtsanwaltskanzlei. Schwerpunktmäßig erledige ich klassische Sekretariataufgaben, fachspezifische Dinge wie Mahnbescheide beantragen etc. eher unregelmäßig. Ich bin nach meiner Ausbildung zum Industriekaufmann und einem geisteswissenschaftlichen Studium (Bachelor) aus der Not heraus - konkret: hunderte von erfolglosen Bewerbungen - als Quereinsteiger in der Kanzlei gelandet und geblieben. Die Gründe für die Bewerbungsmisere sind wohl in meiner fehlenden Praxis im klassisch kaufmännischen Bereich (Buchhaltung etc.) und meinem eher ungeraden Lebenslauf zu suchen. Ich überlege auf jeden Fall nun, im juristischen Bereich Fuß zu fassen. Nicht nur wegen des leeren Geldbeutels, sondern auch wegen meines Interesses an dem Arbeitsfeld/Thema. Bei meinem aktuellen Arbeitgeber gibt es aber keine Möglichkeit, mehr Stunden zu arbeiten.

Für mich haben sich da nun einige Fragen aufgetan und vielleicht kann die eine oder der andere hier mir Tipps und Empfehlungen geben.

1. Macht das überhaupt Sinn? Anders: Habe ich als Ü30-Mann mit Studium und ohne ReFa-/ReNo-Ausbilung überhaupt eine realistische Chance, in einer anderen Kanzlei eine Stelle zu finden? Meine jetzige Stelle habe ich ja über Beziehungen bekommen. Oder wären z.B. Rechtsabteilungen in Unternehmen lohnendere Ziele?

2. Wie könnte ich meine fachlichen Defizite am Besten angehen? Beim Selbststudium mit Büchern etc. würde mir ja immer ein Nachweis dafür fehlen. Für umfangreiche Fortbildungen fehlt mir aufgrund der letzten eineinhalb Jahre vorerst das Geld. Wäre eine ReFa-/ReNo-Ausbildung daher eine sinnvolle Option?

3. Oder hat jemand ganz andere, gute Ideen?

Herzlichen Dank euch.
-dus-
Forenfachkraft
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#2

04.11.2015, 17:24

Als Mann kann ich Dir sagen:

Es ist schwieriger. Viele konservative Kanzleien wollen keine Männer, höchstens als Bürovorsteher.
Dennoch: Lebst Du in einer Großstadt, sind die Chancen größer. Englischkenntnisse vorhanden = großer Pluspunkt

Ist das Studium abgeschlossen? Warum nicht den Bachelor in Wirtschaftsrecht machen?

Die Quote an Azubis hat sich in den letzten Jahren halbiert. Fachpersonal wird also in Zukunft gesucht werden.

Wenn Du keine Ausbildung absolvierst, wirst Du wahrscheinlich immer weniger verdienen. Eine Familie wirst Du nur ernähren können, wenn Du Dich ständig fortbildest in diesem Bereich.

Bei Fragen - fragen :-)
holzkopf

#3

04.11.2015, 18:16

-dus-, danke für deine Antwort.

Ja, das Studium (Geschichte) habe ich abgeschlossen. Auf der fachlichen Schiene geht mit diesem Abschluss aber wirklich gar nichts.

Die Option, wieder zu studieren, scheidet aus finanziellen Gründen aus. Ich bin aus der studentischen Krankenversicherung raus, habe keinen (mir bekannten) Anspruch mehr auf Förderungen. Zudem fehlen private Rücklagen. Das ist also aus meiner Sicht nicht machbar. Und für ein berufsbegleitendes Studium wäre ich wohl schlichtweg zu faul ;)

EDIT:
Und zum Thema Fortbildung: In welchen Bereichen würdest du denn im Hinblick auf (m)eine Beschäftigungsfähigkeit zuerst beginnen? Gebührenrecht, Zwangsvollstreckung, Sprachkenntnisse? Oder mit ganz anderen Dingen?
Jupp03/11

#4

04.11.2015, 18:25

Wenn man fragen darf: von was lebst du denn jetzt?
holzkopf

#5

04.11.2015, 18:36

Klar darfst du. Meiner gerade ziemlich asketischen Lebensweise liegen mein Gehalt als Aushilfe und ein paar private Almosen zugrunde. Zuvor gab es noch Erspartes, aber das ist nun bald aufgebraucht. Daher liegt es mir auch schwer am Herzen, schnell eine neue Perspektive zu finden.
Jupp03/11

#6

04.11.2015, 19:26

Ich würde in der jetzigen Kanzlei weiter arbeiten und dann nebenher für einen längeren Zeitraum -mindestens 1 Jahr- durch das von dir angesprochene Selbststudium versuchen, mir das beizubringen, was für unseren Beruf benötigt wird. Notwendige Literatur kann hier im übrigen auch bezogen werden, siehe Verkaufsangebote.

Versteht man etwas nicht, kann hier nachgefragt werden. Es finden sich hier immer User, die antworten. Diejenigen, die dumme Kommentare abgeben, einfach nur ignorieren.

Natürlich darf das von mir gesagte nicht an deiner Faulheit scheitern.
Ernie

#7

04.11.2015, 19:28

Wäre es denkbar, dass die Kanzlei, wo Du derzeit als Aushilfe tätig bist, Dir einen Ausbildungsplatz einräumen würde?
holzkopf

#8

04.11.2015, 19:52

Gute Frage, Ernie. Ich würde sagen Nein. Ich glaube nicht, dass dort in der jüngeren Vergangenheit ausgebildet worden ist. Alles sehr nette Leute, aber ich vermute, die Organisation eines Ausbildungsverhältnisses wäre denen zu aufwendig. Sind eher Gewohnheitstiere. Außerdem arbeite ich nicht in Vollzeit. Wenn ich es richtig gesehen habe, müsste ich bei einer Teilzeitausbildung mindestens 20 Stunden im Betrieb (oder der Schule) sein. Das würde ich wohl nicht erreichen. Oder ich müsste dafür die beiden anderen Aushilfen, die es gibt, herausekeln ;)
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#9

05.11.2015, 08:26

Die Frage ist, ob Du Dir durch ein Selbststudium das beibringen kannst, wofür andere eine 3-jährige Ausbildung machen und Du durch Dein Selbststudium auf dem Arbeitsmarkt die gleichen Chancen hast, wie eine gelernte ReFa. Das bezweifle ich.
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sunny84
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#10

05.11.2015, 08:48

Du durch Dein Selbststudium auf dem Arbeitsmarkt die gleichen Chancen hast, wie eine gelernte ReFa. Das bezweifle ich.
Seh ich auch so. Anwälte zahlen ja sowieso schon eher schlecht, da käme ihnen jemand wie du doch nur gelegen, weil sie die fehlende Ausbildung mit Sicherheit als Rechtfertigung für ein geringeres Gehalt nehmen würden.
Wenn es mit der Ausbildung zum ReFa nicht klappt wie wäre es alternativ mit einer Ausbildung/Studium zum Justizfachwirt oder Rechtspfleger? Damit bleibst du im rechtlichen Bereich, hast aber definitiv bessere Verdienstmöglichkeiten später als beim Anwalt.
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