Was kann man von Auszubildenden erwarten?

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likema31
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#1

27.10.2015, 13:19

Ich weiß jetzt gar nicht so recht, wie ich unser Problem beschreiben soll. Es geht darum, was ich von einem Azubi erwarten darf und was nicht.

Wir sind eine kleine Kanzlei, haben derzeit 2 Azubis (im ersten und zweiten Lehrjahr) und eine ReFa, die aber überwiegend Betreuungsakten bearbeitet. Das heißt, die Ausbildung übernehmen die Anwälte. Bei uns dürfen die Azubis von Anfang an sehr viel machen, weil wir als kleine Kanzlei einfach darauf angewiesen sind, dass die Zuständigkeiten nicht begrenzt sind.

Soll heißen, auch Azubis im ersten Jahr dürfen Kenntnisnahmeschreiben verfassen und rausschicken, natürlich nur dann, wenn keine Belehrung des Mandanten erforderlich ist etc und nur auf Anweisung.

Jetzt habe ich schon öfter bemerkt, dass von den Azubis gar nicht gelesen wird, was wir Anwälte rausschicken wollen. Ich hatte gestern ein Schreiben an eine Mandantin verfasst, sie noch über die Rechtslage belehrt und ein Schreiben des Gegners angefügt. Der Azubine habe ich die Akte hingelegt, genau aufgeschrieben, dass sie beides kopieren und dann rausschicken soll. Stattdessen macht sie selbständig ein Kenntnisnahmeschreiben und vergisst auch noch, mein Anschreiben zu kopieren. DAs ist nicht weiter schlimm, denn die Mandantin hat jetzt 1 überflüssiges Schreiben, aber es wirkt unprofessionell.

Ich nehme an, so etwas passiert, weil weder mitgedacht noch mitgelesen wird. Letzteres fiel mir schon öfters auf. Letzte Woche habe ich ein Fax erwartet. 1 Seite von einem Fax, das bereits angekommen war, fehlte und ich sagte, dass die fehlende Seite bald noch kommen müsste. Dazwischen kam ein Fax, das damit gar nichts zu tun hatte. Azubine legt es mir hin mit der Bemerkung das sei nun die fehlende Seite zu dem ersten Fax. Auch das kann doch nur sein, wenn sie es nicht gelesen hat.

Erwarten wir zu viel?

Wie handhabt Ihr es mit den Azubis? Was dürfen sie und was nicht? Und vor allem, wie viel kontrolliert Ihr?
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JJJ
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#2

27.10.2015, 13:42

Wir sind auch eine kleine Kanzlei von 2 Anwälten und eine Refa. Die Ausbildung oblag immer mir als Refa. Lediglich Rechtsfragen, die aus dem Schulbereich kamen, haben dann die Anwälte beantwortet. Ich habe unsere Azubis auch immer von Anfang an mit voll eingespannt und zwar so, dass sie nach ca. 4 - 6 Monaten schon richtig gut mitarbeiten konnten und auch notfalls mal alleine die Stellung halten konnten. Die Anfangsarbeiten waren natürlich erstmal die Post öffnen, stempeln und den Akten zuordnen. Sie haben von Anfang an kleinere Schreiben nach Diktat geschrieben und wenn es nur im 2-Finger-Such-System war. So haben sie die Akten kennengelernt. Sobald man erwarten konnte, dass sie Mandant von Gegner unterscheiden konnten und wissen wer wer ist, ging es dann schon mit Fristen notieren los. Diese werden allerdings bis zum Ende 3. Lehrjahr kontrolliert.

Ich habe grundsätzlich den gesamten Postausgang nochmal kontrolliert, bin also die Schreiben im Einzelnen nochmal durchgegangen, ob alle Anlagen beigefügt wurden, ob Mandanten Abschriften erhalten haben und ob die Weiterleitung der Schriftsätze an die Mandanten auch in der Akte vermerkt wurden. Ich denke dass man das die ersten Monate schon machen sollte. Hat man allerdings schon einen Azubi im 2. Lehrjahr, könnte dieser durchaus schon diese Kontrollarbeit, was den Postausgang anbelangt übernehmen, denke ich - aber wir hatten ja immer nur Einen. Ach so, Kenntnisnahmen durften sie auch schon im ersten Lehrjahr unterschreiben.

Unsere Azubis haben auch von Anfang an das Telefon bedient und dadurch schnell die Mandantschaft kennengelernt. Für Rückfragen konnte jederzeit zu mir oder zum Anwalt durchgestellt werden. So werden sie sehr schnell sicher. Wenn sie sich mit Auszubildende melden, nimmt der Gesprächsteilnehmer auch viel mehr Rücksicht und spricht z. Bsp.: langsamer :-) Als kleine Kanzlei ist man nunmal darauf angewiesen, dass sich jemand relativ schnell einarbeitet und unseren Azubis hat das immer sehr gut getan. Sie haben im Anschluss gleich einen Job bekommen und waren mit ihrer Ausbildung zufrieden, also kann man nicht sagen, dass es zuviel verlangt war.
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niva
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#3

27.10.2015, 13:45

bei uns ist es auch so, dass unsere Azubis eigentlich alles machen und so nach und nach eigene Aufgabengebiete (z.B. Mahnverfahren) übernehmen noch lange bevor das Thema in der Berufsschule kommt.

ich mache es i.d.R. so, dass ich mich beim ersten Mal direkt mit dem Azubi zusammensetze, jeden Schritt einzeln durchgehe und ausführlich erkläre (damit alle Hintergrundinfos zumindest mal gehört wurden, das hatten mir in meiner Ausbildung leider völlig gefehlt) und der Azubi sich entsprechend Notizen macht. beim zweiten Mal setze ich mich noch daneben und lasse den Azubi anhand seiner Notizen das ganze machen, stelle dabei auch mal Verständnisfragen und helfe die Notizen zu ergänzen, wo sie noch nicht ausreichend sind. und der nächste Versuch ist, es dann alleine zu versuchen und es mir nochmal vorzulegen und wenn das funktioniert, verlange ich -auch wenn es mir schwerfällt- nur noch, dass es mir vorgelegt wird, wenn der Azubi sich unsicher ist. es ist zwar schwer, diese Kontrolle aufzugeben, aber mal davon abgesehen, dass mir die Zeit fehlt alles zu kontrollieren, möchte ich meine Azubis nicht demotivieren, weil alles immer und ständig kontrollliert wird.

aber ich denke, gerade wenn Fehler passieren, dann sollte die Kontrolle entsprechend häufiger vorkommen. du kannst deinen Azubis erst zeigen, dass du ihnen vertraust wenn sie gezeigt haben, dass sie sorgfältig und gewissenhaft arbeiten. gerade wenn die Ausbildung doch durch euch RAe erfolgt, seht ihr doch die Schreiben, die rausgehen, dann muss eben gerade da noch mal kontrolliert werden.

ich merke hier immer mehr, dass je länger meine Ausbildung her ist, es mir immer schwerer fällt, daran zu denken, was mich damals alles verwirrt hatte und das mir viele Sachen inzwischen einfach zu selbstverständlich sind und ich damit einfach vergesse wirklich ganz vorne anzufangen, wenn ich was erkläre.

und ich schärfe hier allen immer wieder ein: fragen, fragen, fragen.
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Maddien
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#4

27.10.2015, 13:52

Ich denke, die Ausgangsfrage lässt sich nach wenigen Tagen klar beantworten: Die Erwartungen an die Auszubildenden richten sich bei mir nach ihrem Verhalten. Wenn sie Interesse für den INHALT der Akten zeigen (was leider absolut die Ausnahme darstellt...), werden sie auch insgesamt mehr an der langen Leine gelassen. Wenn sie allerdings eine "ich mach nur was mir gesagt wird"-Haltung an den Tag legen, reicht es, wenn sie die Dinge ordentlich und nach ihrem besten Wissensstand erledigen.
läuft...
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Morgenmuffel
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#5

27.10.2015, 14:15

Ich hab es eigentlich immer so, wie Niva beschrieben hat, gemacht. Das hat auch mit allen Azubis immer gut funktioniert, aber aktuell haben wir eine, die jetzt im 3. Lehrjahr noch nichts kann und selbst das, was man eigentlich nach 3 Monaten aus dem eff-eff können sollte, nicht mal ansatzweise fehlerfrei kann. Kurzmitteilungen an Mandant macht sie manchmal fehlerfrei, wenn z. Bsp. nur zur Kenntnisnahme und Rückruf angekreuzt werden muss. Muss ein drittes Kreuzchen gemacht werden, kann ich in 99 % der Fälle davon ausgehen, dass das dritte Kreuzchen an der falschen Stelle ist. Mitdenken darf ich gar nicht erwarten. Die kennt im 3. Lehrjahr immer noch keine Akte und weiß in der Regel keinen einzigen Mandanten zuzuordnen. Und nein, wir sind keine große Kanzlei, sondern eine kleine Kanzlei mit zwei Anwälten. Ich hab schon so oft gesagt, dass sie sich doch ein bisschen konzentrieren soll, da sie ja sooo viel nicht zu tun hat. Aber es nützt nix. Auch meine Rede, sich mal eine Akte zu schnappen und mal zu gucken, wie die aufgebaut ist (das hab ich schon im 1. Lehrjahr gesagt), wird einfach ignoriert. Ich weiß langsam nicht mehr, was ich sagen soll. Mit meinem Chef brauch ich darüber nicht zu reden, der lässt sie jetzt so mitlaufen. Ich finds schade, da der Beruf an sich ja interessant ist und ich eigentlich gerne mein Wissen weitergebe. Aber ich hätte nie gedacht, dass ich selbst im 3. Lehrjahr noch die einfachsten Dinge kontrollieren muss, aber es geht anders nicht, weil sonst vieles falsch raus geht. Selbst die einfachsten Schreiben. Ich hab da leider keine Entlastung, sondern für mich stellt die Azubine eine Belastung dar. Und spätestens im 2. Lehrjahr sollte man eine Entlastung haben, wenn sie kleinere Anschreiben mal alleine macht, ohne dass einer drüber guckt. Ich hoffe einfach, die nächste wird besser. Deswegen erwarte ich hier leider nichts mehr.
Wie likema32 schreibt: Es wird weder mitgedacht, noch mitgelesen. Bei mir trifft das hier zu. Ich hatte schon ab und zu Azubis, die nicht so der Bringer waren, aber die aktuelle toppt hier wirklich alles. Und wenn Cheffe nix macht, läuft die für mich auch nur noch mit. Letztlich bin ich ja nicht der Ausbilder, sondern mein Chef. Wie gesagt, es ist schade, da ich gerne was beibringe, aber wenn so gar nichts zurückkommt.... Leider halte ich unsere Azubine für so blö..., dass sie das nicht mal kapiert, dass sie nichts kann. Aber da rede ich mir den Mund fusselig, und das schon, bevor die Probezeit geendet hat.
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#6

27.10.2015, 14:45

Oje, wenn ich mir den Beitrag von Morgenmuffel so durchlese, bin ich echt froh, dass ich was Azubis anbelangt, immer ein Wörtchen mitreden durfte. Denn meine Chefs waren Gott sei Dank immer der Meinung, dass ich ja mit denen zusammenarbeiten muss :pc Das Büro kann ja nicht gut funktionieren, wenn man selbst im 3. Lehrjahr noch ständig die Kontrolle haben muss und sich auf nichts verlassen kann. Dem Arbeitsklima ist das ja auch nicht förderlich. Das würde mich auch tierisch nerven. So einen Fall hatte ich auch schon ... sie durfte dann im ersten Lehrjahr noch gehen ... und hat sogar eingesehen, dass der Beruf einfach nichts für sie ist. Jetzt ist sie Verkäuferin :pfeif
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#7

27.10.2015, 14:47

Wir haben derzeit in jedem Lehrjahr eine Azubi. Eine schnelle Einbidnung erfolgt hier nicht. Erstmal geht es überwiegend um Organisatorisches, Akten raussuchen, Postein- und ausgänge den Akten zuordnen. Das fällt unserer Jüngsten derzeit noch etwas schwer, da die Akten nicht immer in alphabetische Reihenfolge sortiert werden (warum auch immer). Jede hat so ihre Schwächen und Stärken, ich hoffe inzwischen nur noch, dass die Azubis a) das Alphabet, b) die Rechtsschreibung und c) mit Zahlen umgehen können. Es trifft allerdings selten alles zu :-?

@Morgenmuffel: Dein Chef ist aber nicht sehr entscheidungsfreudig wenn er sie 3 Jahre "mitschleppt", oder? Die würde von mir eher gar keine Aufgaben mehr kriegen, wenn sie sich so lange disqualifiziert hat.
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Morgenmuffel
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#8

27.10.2015, 14:55

@Geniesserin: Ich muss sagen, die ersten drei Monate, als sie angefangen hat, ging es noch. Gut, man kannte noch keine Akte, der Ablauf ist neu etc. Und dann ging es Schlag auf Schlag. Ich hab das Gefühl, die verblödet hier von Tag zu Tag mehr. Ich hab, nachdem die Probezeit rum war, immer wieder gesagt, er solle sie mal abmahnen und ihr sagen, dass sie sich binnen einer gewissen Frist zusammenreißen soll etc. Aber nix fruchtet. Ist nicht mein Geld, was sie erhält, aber ich hab hier null Entlastung. Wie JJJ schreibt, ich gehe auch hier bei unserer Azubine davon aus, dass ein anderer Beruf hilfreicher wäre. Ich muss ehrlich sagen, dass sie von mir nix mehr kriegt. Neulich wollte sie mal über einen Pfüb drüber gucken, da hab ich gesagt, dass ihr das doch nix bringt, wenn sie nicht mal weiß, was z. Bsp. ein Mahn- bzw. Vollstreckungsbescheid ist (denn das lernt sie in der Schule und sie weiß es wirklich nicht. Ihre Erklärung war abenteuerlich; fürchte aber, dass sie meine richtige Belehrung nicht verstanden hat). So geht das halt bei uns den ganzen Tag. Ich hoffe einfach, dass die die Prüfung besteht und weg ist, aber ich denke eher, dass sie durchrasselt. Es ist nicht mein Büro und mehr, als meinem Chef klipp und klar zu sagen, was ich von der Situation halte, kann ich nicht. Konsequenz ist, dass ich alles selber mache (muss ich letztlich eh, weil ich bei ihr über alles drüber gucken muss). Wie gesagt, dass kann nicht der Sinn einer Ausbildung sein, dass die hier den ganzen Tag rumsitzt und mich anglotzt, aber das Büro gehört meinem Chef und wenn er sie fürs Nichtstun bezahlen will, bitte sehr!
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#9

27.10.2015, 14:56

Was genau möchtest Du da denn abmahnen?
läuft...
:huch
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#10

27.10.2015, 15:09

Sorry, Maddien, das hatte ich nicht ausgeführt. Sie macht auch ständig gravierende Fehler, überprüft die Faxnummern nicht, so dass falsch gefaxt wurde (auch Fristsachen), schreibt die falschen Mandanten an (wir haben hier zwei Mandanten, die den selben Namen haben), schickt mehrere Briefe an verschiedene Empfänger in einem Brief. Sowas kann MAL passieren, bei ihr aber STÄNDIG! Und zudem hat sie schon im 2. Lehrjahr den Mandanten am Telefon über entstehende Kosten belehrt. Da haben wir hier strikte Anweisung, dass das nur die Anwälte machen. So geht die Liste endlos weiter. Das hier ist nur ein Bruchteil dessen, was mir auf die Schnelle einfällt.
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