Vermittler zwischen Chefs und Angestellten

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Ernie

#11

28.05.2008, 20:11

Bin stellvertretende Büroleitung und seit fast 21 Jahren in der Kanzlei beschäftigt.

Nachdem die allgemeine Stimmung im Büro aufgrund vieler Umstrukturierungen durch Schwangerschaften mehr als schlecht geworden ist, forderten einige Mitarbeiterinnen mehr Gehalt -ist ja legitim, aber nicht über Junganwälte, die insoweit nichts sagen / entscheiden können, und schon gar nicht mit Androhungen und Zickereien.

Hier fehlt es einigen Kolleginnen einfach am Mumm, direkt zur Chefetage (besteht aus 4 Personen, die alle nicht gewalttätig, nachtragend oder cholerisch sind) zu gehen und ihren Kummer sachlich zu äußern.

Stattdessen wird tagein, tagaus auf dem Flur getratscht, was das Zeug hält. Tränen fließen, Türen werden geknallt und vieles andere mehr.

Ich bin kein Freund dieser überzogenen Theatralik und war bislang immer froh über ein etwas abseits gelegenes Arbeitszimmer mit einer schalldichten Tür.

Aber auch ich konnte mich nicht immer vor den Problemen verschließen, und nachdem ich in den letzten Jahren so einiges angehört und entsprechend weitergegeben habe, trat jetzt die Chefetage mit dieser Bitte an mich heran.

Andererseits muss ich aber auch sagen, dass die Mitarbeiter auch häufig Rat bei mir suchen, obwohl sie wissen, dass ich ihnen nicht nach dem Mund rede, sondern durchaus auch mal sage, wie ich das finde.

Ich muss tatsächlich noch einmal darüber schlafen und mir das alles noch durch den Kopf gehen lassen.

Euch allen für Eure Meinungen ein herzliches

:thx
Gina

#12

28.05.2008, 20:28

Wenn du ganz großen Mut hast, berufst ein gemeinsames Gespräch zwischen allen Kanzleimenschen ein und bittest darum, dass jeder seine Probleme auf den Tisch packt.

Das wird schwierig, kommt darauf an, wieviele ihr seid und wie sehr dir alle vertrauen.

Vielleicht führst du auch erstmal Einzelgespräche. Dabei würde ich mit den Chefs anfangen: Was ist aufgefallen, was haben die Angestellten bereits an die Chefetage herangetragen etc.

Manchmal beruht ja einiges auch auf Missverständnissen, vielleicht fühlt sich jemand über- oder unterfordert? Ein anonymer Fragebogen wäre auch ein Anfang.

Ach, mir fällt da ne Menge ein. :lol:
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sunshine24
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#13

28.05.2008, 20:33

Ich finde das Angebot gar nicht so schlecht. Immerhin (wenn ich das richtig verstanden habe) bist du ja "nur" Vermittlerin und sollst die Dinge der anderen Partei zutragen. Das heißt ja nicht gleich, dass du deinen Senf dazu geben musst und dann irgendwie schlecht da stehst. Klar, man muss mit den Parteien reden, aber wie gesagt, du musst ja nicht sagen "so wirds gemacht, basta" --> schlussendlich entscheiden ja doch die Chefs.

Es geht ja nur um das bessere Verständnis. Eine Vertrauensperson ist jemand, dem man was anvertraut, weil man für den Fall keinen Ausweg weiß bzw. nicht weiß, wie man das Problem angehen soll.
Ich wollte mich wirklich benehmen, aber es gab so viele andere Optionen!
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el mirasol
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#14

28.05.2008, 21:04

Also von dem was du schreibst versuchst du jetzt ja schon etwas zu schlichten, von daher würd ich das denk ich schon machen, aber vorher wirklich klarstellen, dass du nicht Partei ergreifen wirst, wenn deine Kollga so drauf ist kann es natürlich auch sein, dass von ihr irgendwann der spruch kommt "die petzt ja eh alles den chefs", musst halt mal schaun, wie du die situation abschätzt und ob deine chefs das negativ auslegen würden, wenn du ablehnst
Schlaf ist die beste Art der Meditation. (Dalai Lama)
Ernie

#15

29.05.2008, 06:53

@ Gina: Wir haben schon alles versucht: von anonymen Fragebogen bis zum offenen runden Tisch... Es wird keine Meinung geäußert, nur auf dem Flur in den berühmten "Dreier-Grüppchen" kann man nicht lange genug die Lage ausdiskutieren. (Das ist echt nervig!)

@ Sonnenblume: Stimmt schon, dass ich schon relativ lange Zeit die Rolle des Vermittelns übernommen habe. Mein Grundproblem ist aber eher dies: Was ist wenn es "offiziell" wird? Welchen Stand werde ich dann in Zukunft haben? Wird dann innerhalb des Mitarbeiterkreises in meinem Beisein nichts Negatives mehr gesagt werden? Wird vielleicht geschwiegen, wenn ich einen Raum betrete?
StineP

#16

29.05.2008, 07:11

Ernie, das kann natürlich niemand vorhersagen.

Es gibt natürlich nur zwei Möglichkeiten:

1. Das funktioniert super. Du wirst direkt mit eingebunden bei Gesprächen (kein Verstummen) und kannst gut vermitteln.

2. Es geht nach hinten los und es passiert das, was du sagst. Nämlich, dass auch gegen dich negativ getratscht wird. Aber mal im Ernst: Die Gefahr besteht für dich jezt schon, wenn ich mir das so anschaue. Verstehen kann ich so viel Theater nicht (im Büro zieht man an einem Strang und meiner Meinung nach müsste jeder selbst in der Lage sein, seine Problemchen zu lösen).

Die besten Voraussetzungen für den "Job" hast du. Definitiv.

Vielleicht solltest du das probeweise mal 2-3 Monate ausprobieren. Wenn sich nichts ändert, dann kannst du nichts dafür. Dann sind deine Kolleginnen nicht fähig.. Aber nicht du.
Ernie

#17

29.05.2008, 07:29

@ Stine:

Als die Kanzlei noch winzig-klein war, sprich: 2 RA + 2 Azubinen, war es tatsächlich noch ein "Team", wo jeder jeden unterstützte etc.

Seit dem die Kanzlei mit zwischenzeitlich 9 Anwälten, 22 Angestellten + 3 Azubinen, sehr groß geworden ist und sich zudem neben den Anwälten auch die Angestellten spezialisieren mussten, ist aus dem ehemaligen "Team" ein Haufen "Einzelkämpfer" geworden.

Schade, aber durch die Vergrößerung, die auch eine gewisse Arbeitsplatzgarantie mit sich bringt, ist die Kollegialität auf der Strecke geblieben.

Dazu gibt es inzwischen Mitarbeiter, die innerhalb des Kollegenkreises so erzählen, bei den Anwälten aber eine völlig neue Variante des gleichen Geschehnisses parat haben.

Darüber hinaus sind die Einzelzimmerbüros im Prinzip dafür geeignet, nicht mehr "über den Tellerrand" zu schauen, und somit die vermeintliche Not eines Kollegen nicht mehr wahrzunehmen bzw. auch gar nicht wahrnehmen zu wollen.
HIMI
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#18

29.05.2008, 10:03

also wenn Du stellvertretende BV bist, was macht dann die "hauptamtliche" bei all dem? Fehlanzeige?

Offenbar ist es doch so, daß Du eine gewisse Autorität genießt, und die könntest Du auch konstruktiv zum Tragen bringen. Ich sehe da - abei allen angesprochenen Risiken - eine gute Herausforderung.
ich glaub mich knutscht ein Elch
secret72

#19

29.05.2008, 13:45

Der Frage von HIMI kann ich mich nur anschließen - was macht die eigentliche BV? Auch tratschen, Türen knallen, lästern, weinen?

Wie Du die Sachlage so schilderst, würde ich die Herausforderung annehmen.
Ernie

#20

29.05.2008, 19:47

Dank Eurer Entscheidungshilfen habe ich bereits heute meine Zustimmung erteilt, aber gleichzeitig um einen Stellvertreter gebeten.

Es kann ja auch mal sein, dass jemand ein Problem mit mir hat ... :twisted:

Die Mitarbeiterin, die ich mir dafür ausgeguckt habe, hat auch gleich ihr ok gegeben, so dass in der nächsten Woche die neu eingerichtete Herausforderung im Mitarbeiterkreis bekanntgegeben werden wird.

@ Himi + secret:

Die eigentliche Büroleiterin hat sich schon lange aus dem sozialen / emotionalen Beziehungskreis der Kanzlei verabschiedet und macht jetzt "nur noch ihren Job" und kein Gramm mehr!
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