Klageerweiterung in Berufungsinstanz

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Dane129
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#1

07.01.2015, 17:05

Hallo!

Folgender Sachverhalt:
Klage wird eingereicht und gemäß den klägerischen Anträgen im Urteil vollständig stattgegeben, Beklagter legt Berufung ein, Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO ist zu erwarten.

Wir könnten jedoch Klage betreffend Hauptforderung noch erweitern (keine Klageänderung i.S.d. § 264 Ziff. 2 ZPO).

Wenn wir die Klage erweitern, wird das Gericht wohl keinen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO erlassen. Hatte hier jemand in der Praxis einen ähnlich gelagerten Fall? Erlässt das Gericht sodann ein Zwischenurteil nach § 304 ZPO oder entscheidet es über das Rechtsmittel wie auch über die Höhe der dem Kläger zustehenden Hauptforderung mit Endurteil sowohl über Grund als auch über Höhe?

Ich möchte - sofern möglich - eine weitere Terminierung verhindern und eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren erreichen, was nur über die Zustimmung des Beklagten möglich sein wird. Jedoch bin ich mir nicht sicher, ob dieser seine Zustimmung erteilen wird, weshalb ich gerne ein Zwischenurteil nach § 304 ZPO hätte. Jedoch weiß ich, dass Richter eher zu End- als zu Zwischenurteilen tendieren :-D

Ich hielte es insoweit für sachdienlich, zunächst den Hinweisbeschluss über die Ankündigung einer möglichen Verwerfung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO abzuwarten und sodann noch die Klage zu erweitern.

Hat(te) jemand Praxistipps oder einen ähnlichen Fall?
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Anahid
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#2

08.01.2015, 12:31

Du kannst im Berufungsverfahren keine Klage erweitern.
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Dane129
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#3

09.01.2015, 13:48

Wo steht bzw woraus ergibt sich das?
gkutes

#4

09.01.2015, 13:51

Zur prozessualen Behandlung einer auf erstinstanzlichen Vortrag gestützten Klage-erweiterung in der Berufungsinstanz hat jetzt der Bundesgerichtshof Stellung genommen: Soweit die Erhöhung des Klagebetrages nach § 264 Nr. 2 ZPO nicht als Änderung der Klage anzusehen ist, liegt kein Fall des § 263 ZPO vor. Nur auf diese Vorschrift bezieht sich § 533 ZPO, der die Zulässigkeit einer Klageänderung in der Berufungsinstanz einschränkt1. Die unbeschränkte Zulässigkeit einer Modifizierung des Klageantrags gemäß § 264 Nr. 2 oder 3 ZPO auch in der Berufungsinstanz entspricht dem Zweck der Vorschrift, der die prozessökonomische und endgültige Erledigung des Rechtsstreits zwischen den Parteien fördern will. Demgegenüber verkehrt das Berufungsgericht den Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit in sein Gegenteil, indem es den Kläger auf die Möglichkeit einer neuen Klage verweist. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Leitentscheidung eingehend dargelegt, dass auch der Sinn und Zweck des § 533 ZPO dessen Anwendung auf § 264 ZPO im Berufungsverfahren nicht fordert2. Der Bundesgerichtshof teilt diese Auffassung. Mit dem zulässigen Rechtsmittel der Berufung gelangt grundsätzlich der gesamte aus den Akten ersichtliche Sachvortrag erster Instanz ohne weiteres in die Berufungsinstanz. Das gilt auch für solches Vorbringen, das vom Gericht erster Instanz für unerheblich gehalten worden ist und im Tatbestand keine ausdrückliche Erwähnung gefunden hat3. Für das in der Berufungsinstanz zusätzlich geltend gemachte Zahlungsbegehren gibt es keinen neuen Sachvortrag des Klägers, der nicht bereits in der Klageschrift enthalten und dort in Bezug auf die mit der Klage vorgelegten Anlagen erläutert ist. Gehaltener Sachvortrag einer Partei kann niemals versäumt sein (vgl. § 531 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ZPO). Auf seine Entscheidungserheblichkeit aus der Sicht des Vorderrichters kann es ebenso wenig ankommen wie auf die Einbindung des Vortrags in die Begründung des Anspruchs. Ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel ist nicht “neu”, weil es sich zu einem in der ersten Instanz unbeachtet gebliebenen rechtlichen Gesichtspunkt verhält oder erst in zweiter Instanz beweisbedürftig geworden ist. Rechtlich bedeutungslos ist es deshalb auch, dass der Kläger es in der Hand hatte, der von ihm in erster Instanz dargelegten neuen Berechnungsmethode durch eine Erhöhung der Klageforderung aus seiner Sicht Entscheidungserheblichkeit beizulegen. Wäre dies anders, würde die Entscheidung des Gesetzgebers konterkariert, Klageerweiterungen und -umstellungen gemäß § 264 Nr. 2 und 3 ZPO nicht an die besonderen Voraussetzungen des § 533 ZPO zu knüpfen. Für ech-te Klageänderungen verhindert § 533 Nr. 2 ZPO, dass ein Berufungsgericht eine Klageänderung gemäß § 533 Nr. 1 ZPO zwar zulassen müsste, an einer der materiellen Rechtslage entsprechenden Entscheidung über die geänderte Klage aber nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gehindert wäre. Diese Gefahr besteht bei einer Antragsänderung gemäß § 264 Nr. 2 und 3 ZPO nur dann nicht, wenn das Berufungsgericht bei der Beurteilung des modifizierten Klageantrags zumindest auf den gesamten in erster Instanz angefallenen Prozessstoff zurückgreifen kann4. Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. April 2010 – IX ZR 160/09BGHZ 158, 295, 305 f; BGH, Urt. v. 8. Dezember 2005 – VII ZR 138/04, VersR 2006, 1361, 1362 f Rn. 25; v. 27. Februar 2007 – XI ZR 56/06, ZIP 2007, 718, 721 Rn. 30↩BGHZ 158, 295, 307↩BGH, Urteil vom 27.09.2006 – VIII ZR 19/04, NJW 2007, 2414, 2416; vom 16.10.2008 – IX ZR 183/06, WM 2009, 117, 120↩vgl. BGHZ 158, 295, 308↩ - See more at: http://www.rechtslupe.de/zivilrecht/kla ... UaIYa.dpuf
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#5

09.01.2015, 15:40

Der Artikel ist mir bekannt, gibt mir aber keine Antwort auf meine ursprüngliche Frage ;-)
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Anahid
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#6

09.01.2015, 18:37

Was verstehst denn Du unter "erweitern", also was genau war Gegenstand der I. Instanz und was genau soll Gegenstand der II. Instanz werden? Du kannst im Berufungsverfahren keinen neuen Sachvortrag vorbringen, den Du nicht schon erstinstanzlich gebracht hast. Wenn also der Gegenstand der geplanten Erweiterung nicht schon irgendwie in der I. Instanz erwähnt wurde, dann kann dieser nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens werden. Dies ergibt sich auch aus der durch gkutes zitierten Entscheidung.
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#7

12.01.2015, 11:53

Es erfolgt kein neuer Sachvortrag, sonst hätte ich ja eine Verspätungsproblematik. Die Erweiterung der Hauptsache erfolgt im Rahmen des Sachvortrages aus I. Instanz.
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