Kündigungsschutzklage - vorgerichtl. Tätigkeit abrechenbar?

...für das vom 01.07.2004 bis 31.07.2013 geltende Gebührenrecht
Antworten
Sanya
Daueraktenbearbeiter(in)
Beiträge: 468
Registriert: 14.08.2008, 09:58
Beruf: Rechtsanwaltsfachangestellte
Software: RA-Micro

#1

13.11.2009, 16:05

Hallo!
Ich habe gehört, dass man bei Kündigungsschutzklagen, auch wenn im Vorfeld Schriftwechsel mit der Gegenseite stattgefunden hat, keine Geschäftsgebühr abrechnen kann. Ich meine den Schriftverkehr in der Zeit zwischen Kündigung und KSch-Klage. Die RSV sollen dann argumentieren, dass gar nicht die Zeit (Frist bis zur Erhebung der Klage) gar nicht ausreicht, um ernsthaft außergerichtlich was erreichen zu können. Also, dass man sowiso Klage erheben muss.
Stimmt das?
Kann ja auch sein, dass man zunächst den Auftrag hat, außergerichtlich tätig zu werden und sich der Mandant dann erst später überlegt, Klage zu erheben, je nach Reaktion des Arbeitgebers.
Viele Grüße!
Betti78
Forenfachkraft
Beiträge: 249
Registriert: 02.05.2008, 14:55
Beruf: ReNo-Fachangestellte
Software: RA-Micro
Wohnort: Heide

#2

13.11.2009, 16:09

Hi.

Ja so argumentieren einige RSV.
Mein Chef hat kürzlich ein ausführliches Schreiben an so eine RSV gesandt, worauf hin, dann doch tatsächlich auch für außergerichtliche Tätigkeit gezahlt hat.
Er hat unter anderem auf folgendes verwiesen:

"Der Bundesgerichtshof hat mittlerweile sogar entschieden, dass für die Androhung einer Kündigung der Rechtsschutzversicherer für die außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts die Gebühren bezahlen muss. Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.11.2008, IV ZR 305/07"
Benutzeravatar
Re1108
Kennt alle Akten auswendig
Beiträge: 914
Registriert: 12.06.2008, 10:31
Beruf: ReFaWi
Software: RA-Micro
Wohnort: Ba.-Wü.

#3

13.11.2009, 16:12

Man kann die Geschäftsgebühr abrechnen.

Es gibt zwar immer noch die eine oder andere RS, die diese nicht bezahlen will, allerdings gibts in der Zwischenzeit jede Menge Rechtsprechung zu diesem Thema, die eine außergerichtliche Tätigkeit bejaht. :twisted:

Also, auf jeden Fall abrechnen!

Wir haben - bis auf einzelne Ausnahmen - auch keine Schwierigkeiten, die GG von der RS erstattet zu bekommen. :lol:
Sanya
Daueraktenbearbeiter(in)
Beiträge: 468
Registriert: 14.08.2008, 09:58
Beruf: Rechtsanwaltsfachangestellte
Software: RA-Micro

#4

13.11.2009, 16:27

Danke für Eure Antworten!

Ich hab da nämlich grade so nen Fall, wo ich die Geschäftsgebühr abgerechnet hab. Die RS hat sie dann aber einfach nicht gezahlt, ohne irgendeine Erklärung warum nicht!

Meine Chefin hat dann eben gemeint, dass die GG bei Kündigungsschutzklagen - laut den RSV - nicht abrechenbar sei. Ich hab alle Literatur durchsucht, die ich habe, aber konnte dazu nix finden.

Ich weiß noch, dass der Mandant zunächst nicht sicher war, ober er klagen will ("Nicht, dass ein Anderer für mich gehen muss."). Mein Chef hat erstmal ein Schreiben gemacht, wo er die angegebenen Gründe der Kündigung angreift und dass diese nicht gerechtfertigt sei. Aber er hat auch gleich geschrieben, dass wir Klage erheben werden. Dieses Schreiben kann ich also schlecht als Beweis für einen zunächst nur außergerichtlichen Auftrag anführen....

Weiß jetzt halt nicht, was ich der RS entgegenhalten könnte.
Betti78
Forenfachkraft
Beiträge: 249
Registriert: 02.05.2008, 14:55
Beruf: ReNo-Fachangestellte
Software: RA-Micro
Wohnort: Heide

#5

13.11.2009, 16:41

Hier das Schreiben meines Chefs an die RSV, diese war nämlich der Meinung, wir hätten gleich Klage einreichen sollen. Es ist ziemlich ausführlich, ich hoffe, ich sprenge den Rahmen hier nicht :teufel Ich denke, Du kannst sicherlich einige Passagen auch für Eure Sache verwenden:

"auf Ihr erstaunliches ( weil Sie mittlerweile der uns bekannte letzte Rechtsschutzversicher sind, der noch so argumentiert wie zu BRAGO-Zeiten) Schreiben vom 30.09.2009:

1.
Der Bundesgerichtshof hat mittlerweile sogar entschieden, dass für die Androhung einer Kündigung der Rechtsschutzversicherer für die außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts die Gebühren bezahlen muss. Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.11.2008, IV ZR 305/07

Erst recht im vorliegenden Fall.

Nach einem Urteil des
BGH, Urt. v. 1.10.1968 – VI ZR 159 – AnwBl. 1969, 15 verstößt ein Versicherungsnehmer nicht gegen seine Schadensminderungspflicht, wenn er den Anwalt zunächst mit einer außergerichtlichen Tätigkeit beauftragt. Voraussetzung
hierfür ist, dass Erfolgsaussichten hinsichtlich einer
außergerichtlichen Tätigkeit bestehen, so dass letztlich
auf den Einzelfall abzustellen ist. Bestehen Erfolgsaussichten, wie hier, der Klägerin ein Prozessverfahren zu ersparen,
ist auch nach einer Vielzahl der unterinstanzlichen
Rechtsprechung die außergerichtliche Tätigkeit,
auch wenn sie im Ergebnis nicht erfolgreich sein sollte, abzudecken.
Wir verweisen weiter auf die einschlägige Rechtsprechung:

AG Hamburg, Urt. v. 10.2.2006, JurBüro 2006, 309;
AG Velbert, Urt. v. 8.9.2006 – 12 C 144/05, AnwBl. 2006, 770;
AG Cham, Urt. v. 22.12.2005 – 1 C 323/05, AnwBl. 2006, 287;
AG Essen-Stehle, Urt. v. 22.6.2005 – 8 C 89/05, JurBüro 2005, 585;
AG Wiesbaden, Urt. v. 14.9.2005 – 93 C 2931/05;
AG Büdingen, Urt. v. 8.6.2006.

Es ist rechtlich nicht haltbar, wenn Sie schreiben, dass ein gesonderter außergerichtliche Auftrag nicht gedeckt sei, weil hierdurch unnötige Kosten entstehen und durch Erteilung des sofortigen Klageauftrages werden die Interessen des Versicherungsnehmers nicht unbillig beeinträchtigt, da dieser Auftrag auch die Möglichkeit außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen beinhaltet und nicht zur Durchführung des Prozesses verpflichtet.

Zum anderen trifft es nicht zu, dass unsere Mandantin ihrer Schadensminderungspflicht nicht nachgekommen ist, in dem sie uns zunächst einen außergerichtlichen Auftrag erteilt hat.

Ein außergerichtlicher Auftrag war zum Zeitpunkt unserer eauftragung im übrigen der kostengünstigste Weg, da nicht abzusehen war, ob überhaupt ein Klageverfahren notwendig ist. Wie unserem Schreiben vom ____ zu entnehmen ist, war zunächst zu klären, ob die ausgesprochene personenbedingte Kündigung überhaupt wirksam ausgesprochen war und demgemäß überzeugt werden kann, die Kündigung zurück zu nehmen.

Offensichtlich haben unsere Ausführungen insoweit gewirkt, da nun der Arbeitgeber eine betriebsbedingte Kündigung nachgeschoben hat, die wir in der Anlage in Kopie überreichen und auch insoweit ausdrücklich um Deckungszusage für das gerichtliche Verfahren bitten.

Dass der Auftrag nicht außergerichtlich ein Ende finden wird, war zum Zeitpunkt unser Beauftragung nach all dem nicht abzusehen. Mit der Erteilung eines außergerichtlichen Auftrages ist unsere Mandantin zunächst den kostengünstigsten Weg gegangen. Das war hier gerechtfertigt.

Im folgenden möchten wir losgelöst von unserem Fall folgende Fallkonstellationen aufführen:

1. Fall: außergerichtlicher Auftrag, Abschluss mit außergerichtlichem Vergleich
Geschäftsgebühr 1,3
Vergleichsgebühr 1,5
gesamte Gebühren 2,8

2. Fall: außergerichtlicher Auftrag, anschließend Prozessauftrag
Geschäftsgebühr 1,3
Verfahrensgebühr 1,3
Terminsgebühr 1,2
Vergleichsgebühr 1,0
abzügl. hälftige Geschäftsgebühr - 0,65
gesamte Gebühren 4,15

3. Fall: sofortiger Prozessauftrag mit außergerichtlicher Einigung
Verfahrensgebühr 0,8
Terminsgebühr (außergerichtliche Besprechung mit dem Gegner) 1,2
Vergleichsgebühr 1,5
gesamte Gebühren 3,5

4. Fall: Prozessauftrag, Einigung im Prozess
Verfahrensgebühr 1,3
Terminsgebühr 1,2
Vergleichsgebühr 1,0
gesamte Gebühren 3,5

Wie diesen Konstellationen zu entnehmen ist, ist der kostengünstigste Weg die außergerichtliche Erledigung der Angelegenheit. Ein außergerichtlicher Auftrag kann nur dann als überflüssig angesehen werden, wenn von vornherein abzusehen ist, dass eine außergerichtliche Einigung bzw. Erledigung der Angelegenheit als aussichtslos erscheint.
Das war nicht der Fall.

Ihrer Meinung folgend, könnte bei dem dritten Fall rückblickend der Einwand erhoben werden, warum überhaupt ein Prozessauftrag erteilt wurde, wenn die Angelegenheit auch hätte außergerichtlich gelöst werden können.

Es kann nicht angehen, dass sich die Rechtsschutzversicherung nachträglich die günstigste Konstellation aussucht.

Mit der Einführung der RVG hat der Gesetzgeber zur Entlastung der Gerichten gerade die außergerichtliche Lösung in den Vordergrund gestellt. Die Rechtsschutzversicherungen hingegen unterlaufen diese Vorgabe, in dem von den Versicherungsnehmern erwartet wir, einen sofortigen Klageauftrag zu erteilen, obwohl eine außergerichtliche Lösung möglich und sogar kostengünstiger ist.

Zahlen Sie unser Geschäftsgebühr nicht binnen 2 Wochen wird der Mandantin geraten Deckungsklage zu erheben.

2.
Klageentwurf und neue Kostenrechnung liegt an, mit der Bitte um Ausgleich."

Liebe Grüße aus dem regnerischen und sehr dunklem Norden
Benutzeravatar
Re1108
Kennt alle Akten auswendig
Beiträge: 914
Registriert: 12.06.2008, 10:31
Beruf: ReFaWi
Software: RA-Micro
Wohnort: Ba.-Wü.

#6

13.11.2009, 16:41

Versuch's hiermit:

AG München, Urteil vom 27.04.07, 223 C 27792/06 JurBüro 2007, S. 591

AG Hamburg-Wandseck, Beschluss vom 27.08.07, 716 C 2341/07 JurBüro 2007, S. 579

BGH Urteil vom 01.10.1968 VI ZR 159 / 67 AnwBl 1969, 15;

Urteil des Amtsgerichts Essen - Steele JurBüro 2005, 585; AGS 2005, 468 sowie R+S 2006, 70 mit Anmerkung von RA J. Cornelius – Winkler;

Urteil des AG Cham vom 22.12.2005 – 1 C 0323 / 05 AnwBl 2006, 287;

Urteil des Amtsgerichts Hamburg – St. Georg vom 10.02.2006 – JurBüro 2006, 309 – mit Anmerkung RA P.Kitzmann;

Urteil des Amtsgerichts Velbert vom 08.09.2006 – 12 C 144 / 05 – AnwBl 2006, 770;

Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom 14.09.2005 – 93 C 2931 / 05 – 40 JurBüro 2007, Heft 3 demnächst

Nimm die entsprechenden Leitsätze als Argumentation (die hab ich nur leider gerade nicht parat, weil ich mir nur die Urteile abgespeichert hab).

Hatte mal den selben Fall wie du. Aber sollste mal sehen, wie schnell die Zahlen, vor allem wenn du vielleicht noch damit drohst, dir vom Mandanten den Anspruch abtreten zu lassen und die restlichen Gebühren gerichtliche gegen die RS geltend zu machen!!! :twisted:
Benutzeravatar
Re1108
Kennt alle Akten auswendig
Beiträge: 914
Registriert: 12.06.2008, 10:31
Beruf: ReFaWi
Software: RA-Micro
Wohnort: Ba.-Wü.

#7

13.11.2009, 16:49

Ich seh schon, manche haben wohl die selben Quellen ... :wink:
Sanya
Daueraktenbearbeiter(in)
Beiträge: 468
Registriert: 14.08.2008, 09:58
Beruf: Rechtsanwaltsfachangestellte
Software: RA-Micro

#8

13.11.2009, 16:53

WOW! Ihr seid ja toll! :applaus
Viiiiiieeeelen Dank!
Werde mir das alles mal in Ruhe anschauen. Aber jetzt ist erstmal WOCHENENDE!!!!
samara
Foreno-Inventar
Beiträge: 2153
Registriert: 13.03.2007, 15:46
Wohnort: lotte
Kontaktdaten:

#9

24.04.2010, 10:37

Hallo! Ich habe mehrere Akten aus dem Jahr 2008 und 2009, in denen wir ähnliche Problematik hatten und die RSV uns die GG für die außergerichtliche Täigkeiten verweigert hatten. Weiß vielleicht jemand, ob die Ansprüche nicht bereits verjährt sind, ich meine damit wäre es jetzt noch sinnvoll, Deckungsklagen zu erheben? Die Kostennoten hatten wir in jeder Akte den RSV geschickt, diese sind aber noch offen...

Ich suche außerdem nach einem Muster für die Deckungsklage gegen die RSV, es würde mir sehr helfen. Danke für Eure Tipps und Hinweise, ich werde jetzt versuchen, unsere Gebühren doch noch durchzusetzen...
Antworten