Klage, Erledigung und Widerklage - mehrere Streitwerte

Fragen rund um die neuen Rechtsanwaltsgebühren nach RVG ab 01.08.2013
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Lore
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#1

18.04.2017, 09:46

Moin moin!
Habe folgendes Problem. In einer Sache ist zunächst Klage erhoben worden, die Klage dann für erledigt erklärt worden, die Erledigungserklärung blieb einseitig, dann ist Widerklage erhoben worden.
So. Der Streitwert ist festgesetzt worden bis zur Erledigungserklärung auf 9.000, dann (Kosteninteresse Feststellungsklage auf Erledigung) 4000,-, dann (Wert Widerklage (11.000) plus Kosteninteresse) 15.000.
Was darf ich nun abrechnen? Nur TG und VG aus 15.000?
Oder vielleicht auch eine VG aus 11.000 plus 9.000, also 20.0000? Oder gar 24.000? (klingt etwas gierig, aber hey, meine Seite hat gewonnen. Andererseits ist vielleicht das Kosteninteresse nach der Erledigungserklärung irgendwie im Wert der ursprünglichen Klage mit drin. Oder?).
Wie sieht es mit der TG aus? Gibt es da auch was zu addieren oder darf ich nur den höchsten Termin berechnen? Oder - jetzt wieder gierig - darf ich vielleicht sogar nicht die Streitwerte addieren, sondern eine TG zum SW vom 9.000 und eine TG zum SW vom 15.000 (oder nur 11.000)?
Hilfe? Bitte?
Grüße, Lore
sansibar
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#2

18.04.2017, 10:00

Moin!
Du darfst die Streitwerte nicht addieren, sondern nimmst
für die Verfahrensgebühr den höchsten Wert, also 15.000,
für die Terminsgebühr den Wert, der zum Zeitpunkt des Termins aktuell war. Wenn es mehrere Termine mit unterschiedlichen Werten gab, nimmst du den höchsten.
Grüße - sansibar
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Lore
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#3

18.04.2017, 10:08

Danke für die Antwort, auch wenn es nicht die erhoffte war. Sieht das vielleicht jemand anders?
LG
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Anahid
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#4

18.04.2017, 11:35

Nein, da muss ich Dich enttäuschen. Ich seh das genau wie sansibar.
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Lore
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#5

20.04.2017, 13:11

Ok, bin enttäuscht (ich gebe sehr viel auf das hier vorhandene und zur Verfügung gestellte Wissen), gebe aber noch nicht auf.

Habe folgendes gefunden:

"Scheidet während der Tätigkeit des Rechtsanwaltes ein Gegenstand – durch teilweise Hauptsacheerledigung oder teilweise Klagerücknahme aus - und wird sodann ein anderer Gegenstand eingeführt, werden die Gebühren, deren Tatbestände der Rechtsanwalt für diese Gegenstände erfüllt, nach dem zusammengerechneten Wert dieser Gegenstände berechnet (<a href="http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3406574025/ref=nosim/foreno-21" target="_blank">Gerold/Schmidt</a>/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 17. Auflage, § 2 RVG, Rdnr. 9).", KG · Beschluss vom 27. August 2007 · Az. 8 W 53/07.

Das müsste meiner Meinung nach für die VG bedeuten, dass ich den ursprünglichen Klagewert vor Erledigung (9.000) zum Wert der Widerklage (11.000) addieren muss, um den Gebührenstreitwert zu erhalten. Weil die ursprüngliche - durch die einseitige Erledigungserklärung (bis auf das Gebühreninteresse also) teilweise zurückgenommene Klage eben nicht einfach unter den Tisch fällt. Gebührenrechtlich. Oder??
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Anahid
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#6

20.04.2017, 13:17

Nein, weil, wie da richtig steht "teilweise" Hauptsacheerledigung oder Klagerücknahme. Ist doch bei Dir gar nicht der Fall. Bei Dir ist die gesamte Hauptsache erledigt, so dass es da quasi einen Streitwert Null gibt. Es geht nur noch um die Kosten. Also ist Streitwert das Kosteninteresse + Widerklage.
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#7

20.04.2017, 13:24

Stimmt, bei mir ist es keine teilweise Erledigungserklärung, aber ich sehe keinen Unterschied zur teilweisen Klagerücknahme. Als solches wird ja eine einseitige Erledigungserklärung gedeutet.

Danke, dass du dich in meinen Kram reindenkst.
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#8

20.04.2017, 13:48

Dazu noch diese (für mich örtlich relevante) Fundstelle:

"Hinzu kommt, dass nach inzwischen überwiegender Ansicht in der - neueren - Rechtsprechung bei der Berechnung des Streitwertes Klagerweiterungsbeträge auch dann dem Wert des ursprünglichen Streitgegenstandes hinzuzurechnen sind, wenn dieser ganz oder teilweise bereits vorher seine Erledigung gefunden hat (vgl. OLG Celle JurBüro 1986, 741; OLG Koblenz AGS 2007, 151; OLG Hamm AGS 2007, 517; KG AGS 2008, 188; a.A.; OLG Dresden AGS 2007, 517). Wenn daher in einem laufenden Rechtsstreit ein Teil des Streitgegenstandes durch Erledigung oder Rücknahme ausscheidet und ein weiterer Streitgegenstand in den Rechtsstreit eingeführt wird, berechnet sich der Streitwert für die Gerichtskosten und die anwaltlichen Verfahrensgebühren nach dem zusammengerechneten Wert. Die Zielsetzung einer teilweisen Klagrücknahme durch den Kläger verbunden mit einer Klagerweiterung entspricht aber dem der Klageänderung. In beiden Fällen erklärt der Kläger, einen bestimmten Anspruch nicht mehr geltend machen zu wollen und dafür einen weiteren Anspruch zu erheben. Es wäre ein Wertungswiderspruch, wenn beide Fälle hinsichtlich des Streitwertes eine unterschiedliche Behandlung erfahren sollten.

Außerdem wäre es auch gar nicht einzusehen, warum sich das Gericht und die Anwälte mit einem Teil des Streitgegenstandes letztlich unentgeltlich beschäftigen sollten (OLG Hamm a. a. O. m. w. N.)", OLG Celle · Beschluss vom 20. Mai 2008 · Az. 2 W 108/08 (Hervorhebungen durch mich)
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Anahid
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#9

20.04.2017, 13:50

Klar gibt es da einen Unterschied. Bei teilweiser Erledigung bleibt ja ein Hauptsachewert bestehen. Ist aber bei Dir nicht der Fall. Du hast keinen Hauptsachewert mehr. sondern nur noch einen Kostenwert zum Zeitpunkt der Widerklage. Und genau darum kann der Hauptsachewert (weil einfach nicht mehr da) nicht mit dem Widerklagewert addiert werden.

Aber mit weiterem Überlegen, find ich diese Art von Abrechnung hier eigentlich duchaus passend. Der letzte Satz hat mich etwas nachdenklich gemacht. Darum würde ich die Abrechnung wie folgt vornehmen:

1,3 VG aus 9.000,00 €
1,3 VG aus 15.000,00 €
Begrenzung § 15 III VV RVG, höchstens 1,3 aus 24.000,00 €
1,2 TG aus 15.000,00 €

Denn.....natürlich kann Dir die VG aus dem ursprünglichen Klagestreitwert nicht verloren gehen. Wäre die Klage mit der Widerklage gemeinsam anhängig gewesen, hättest Du nach einem Streitwert von 20.000,00 € abrechnen können. Nach der Erledigterklärung bleiben nur 15.000,00 € und da hats dann "klick" gemacht. Kann ja nicht sein, dass Du jetzt weniger verdienst, als Du verdient hättest, wenn die Klage nicht erledigt gewesen wäre. Die TG allerdings dann nur noch aus 15.000,00 €, da die Klage zu dem Zeitpunkt nicht mehr Streitgegenstand war, sondern nur noch das Kosteninteresse der ursprünglichen Klage.
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