§ 802l ZPO

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Geiselmann
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#1

16.09.2014, 19:35

§ 802l ZPO
Der Gerichtsvollzieher darf die Einholung von Drittauskünften nach § 802I ZPO im Falle einer vom Schuldner abgegebenen Vermögensauskunft, deren Inhalt eine vollständige Befriedigung des Gläubigers voraussichtlich nicht erwarten lässt, nicht mit der Begründung verweigern, dass der Gläubiger kein Anhaltspunkte vorgetragen und glaubhaft gemacht hat, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Selbstauskunft des Schuldners aufkommen lassen. (amtlicher Leitsatz)
- LG Magdeburg, Beschluss vom 30.06.2014, 3 T 360/14 -

S. Geiselmann
silvester
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#2

22.05.2015, 14:05

1. Die Einholung von Drittauskünften nach bereits vollständig abgegebener Vermögensauskunft kann vom Gerichtsvollzieher nicht mit dem Hinweis abgelehnt werden, es seien keine neuen Erkenntnisse durch die Drittauskünfte zu erwarten.
2. Die Möglichkeit zu Drittauskünften dient der Überprüfung der Richtigkeit der Selbstauskunft und kann deshalb nicht an Voraussetzungen geknüpft werden, die die Einholung zu einem kaum vorkommenden Ausnahmefall machen. Da der redliche Schuldner durch zutreffende Angaben im Vermögensverzeichnis alle vollstreckungsrelevanten Informationen offenbart hat, ist er im Hinblick auf sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht schutzwürdig.
AG Hamburg, Beschluss vom 12. August 2014 – 29a M 855/14 –, juris; DGVZ 2014, 267-268

Ergebnisse aus dem Abruf von Informationen über Bankkonten (§ 802l Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO) hat der Gerichtsvollzieher grundsätzlich auch dann an den Gläubiger zu übermitteln, wenn er daran zweifelt, dass alle aufgeführten Konten tatsächlich dem Schuldner zuzuordnen sind. Lediglich eindeutige Hinweise darauf, dass ein mitgeteiltes Konto nicht vom Schuldner sondern von einer Person gleichen Namens und Geburtsdatums geführt wird, berechtigen den Gerichtsvollzieher zur Verweigerung der Übermittlung dieser Daten an den Gläubiger.(Rn.4)
(LG Würzburg, Beschluss vom 29. Juli 2014 – 3 T 773/14 –, juris; DGVZ 2015, 21

Die Einholung von Drittauskünften gem. § 802l ZPO nach vorangegangener Vermögensauskunft ist nur dann nicht erforderlich, wenn bereits sicher ist, dass die Drittauskünfte zu keinen neuen Informationen führen werden, nicht bereits beim Fehlen begründeter Hinweise für eine Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Vermögensauskunft (Anschluss AG Hagen (Westfalen), 18. Februar 2012, 49 M 91/14, DGVZ 2014, 103; entgegen LG Nürnberg, 29. August 2013, 19 T 6835/13, DGVZ 2013, 243 und AG Kenzingen, 12. März 2014, 3 M 36/14, DGVZ 2014, 133).(Rn.4)
(AG Bremen, Beschluss vom 28. Juli 2014 – 244 M 440738/14 –, juris; Vollstreckung effektiv 2015, 20
silvester
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#3

17.07.2015, 20:07

a) Drittauskünfte gemäß § 802l ZPO sind nach Abgabe einer Vermögensauskunft nicht nur einzuholen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Schuldner unvollständige oder unzutreffende Angaben gemacht hat und durch die Drittauskünfte neue Erkenntnisse zu erwarten sind. Sie sind erst dann nicht erforderlich, wenn aus den Angaben des Schuldners oder anderen offensichtlichen Umständen deutlich wird, dass die Drittauskünfte zu keiner auch nur teilweisen Befriedigung des Gläubigers führen können.

b) Wurden die Drittauskünfte nach einer Vermögensauskunft eingeholt, so ist es erst erforderlich, sie ein weiteres Mal zu erheben, wenn der Gläubiger konkrete Anhaltspunkte für eine wesentliche Veränderung der Vermögensverhältnisse des Schuldners glaubhaft macht oder wenn er eine erneute Vermögensauskunft (§ 802d ZPO) abgegeben hat.

c) Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen vor, ist der Gerichtsvollzieher nach § 802l Abs. 1 ZPO dazu verpflichtet, die vom Gläubiger begehrten Drittauskünfte einzuholen.

BGH, Beschluss vom 22. Januar 2015 - I ZB 77/14
silvester
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#4

09.10.2016, 13:54

Bei der Übersendung der Drittauskunft durch das Bundeszentralamt für Steuern an den Gläubiger hat keine Bekanntgabe von Daten über Konten Dritter mit Verfügungsbefugnis zu erfolgen. Dem steht das Grundrecht des Kontoinhabers auf informationelle Selbstbestimmung entgegen.
AG Kiel, Beschluss vom 28. September 2016 – 21 M 1787/16
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#5

09.10.2016, 16:08

Ich halte den Beschluss des AG Kiel für falsch, weil sich es auch bei Konten Dritter eine Vollstreckungsmöglichkeit gibt.

Lässt ein Schuldner sein Arbeitseinkommen auf das Konto eines Dritten überweisen und unterlässt er es, ein (eigenes) P-Konto (§ 850k Abs. 1 ZPO) zu unterhalten, greifen die Schuldnerschutzvorschriften der §§ 850 ff. ZPO nicht ein, wenn ein Gläubiger Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Dritten ergreift. Insbesondere ist § 850k ZPO weder direkt noch entsprechend anwendbar. In einem solchen Fall kann die Pfändung des Gläubigers beim Drittschuldner nicht als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung i.S.d. § 826 BGB angesehen werden.
- BVerfG 29.5.15, 1 BvR 163/15 -

S. Geiselmann
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#6

12.12.2016, 19:57

Die Entscheidung über die Art und Weise der Sperrung oder Löschung von nicht erforderlichen Daten aus Drittstellenauskünften gem. § 802l Abs. 2 ZPO liegt beim Gerichtsvollzieher. Dieser ist berechtigt, anstatt Dokumente mit Schwärzungen vorzulegen, nur solche Daten dem Inhalt nach an den Gläubiger weiterzugeben, welche erforderlich sind.
AG Deggendorf, Beschluss vom 10. Juli 2015 – 1 M 510/15
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