Strafverfahren - teilweiser Freispruch

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julia89
Foren-Praktikant(in)
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#1

13.08.2009, 20:55

Mein erstes Thema ^^

Ich hoffe, ihr könnte mir helfen...

Das Problem ist folgendes: Unser Mandant wurde angeklagt wegen 6 Sachen, also 6 Anklagepunkte. Mit der Anklageschrift kam er zu uns und wir sollten ihn verteidigen. So, jetzt wurde er wegen 2 Anklagepunkten verurteilt und wegen der restlichen 4 freigesprochen.

Nun ist es doch so, dass man die Gebühren (Wahlanwalt) gegenüber der Staatskasse geltend machen kann, wenn der Mandant freigesprochen wird, also sozusagen zu Unrecht angeklagt war. Aber wie ist es, wenn er halb schuldig und halb unschuldig ist???

Der RVG-Kommentar meint dazu, dass man das im Verhältnis sehen muss - wegen den Punkten, wo der Mandant schuldig ist, muss er selbst zahlen. Für den Rest kommt die Staatskasse auf.

Unser Mandant hat die beiden Anklagepunkte, wofür er verurteilt wurde, nie bestritten, sondern so akzeptiert. Er hätte die Strafe auch für diese 2 Punkte so hingenommen ohne Einwand. Aber gegen die 4 anderen Dinge, weswegen er unberechtigterweise angeklagt war, wollte er sich wehren - mit Anwalt. Er hat also nur uns beauftragt, wegen den 4 Punkten, wo er unschuldig war. Wäre er nur wegen den 2 anderen Punkten angeklagt worden, hätte er gar keinen Anwalt genommen, weil er es ja eh akzeptiert hat.

Das haben wir dem Gericht so erläutert und dann die Gebühren so zusammengestellt (alles Mittelgebühren):

Grundgebühr
Verfahrensgebühr vorm AG (nach Eingang Anklageschrift)
Terminsgebühr vorm AG
ca. 950 Kopien aus Ermittlungsakte
Auslagen
Umsatzsteuer

Nun meckert aber das Gericht rum, wir sollten das so machen, dass wir die Gebühren die tatsächlich entstanden sind (also wie in unserer Rechnung), mit einer Gebührenrechnung vergleichen, die entstanden wäre, wenn er uns nur wegen den beiden Sachen (weswegen er verurteilt wurde) beauftragt hätte.

Versteh ich nicht... Was wollen die nun von uns? Wir haben doch gesagt, dass er uns nicht beauftragt hätte, wenn er nur wegen den 2 Dingen angeklagt worden wäre. Sollen wir das 0,00 € hinschreiben und das von der Rechnung "abziehen" oder wie?

Oder muss man da die Gebühren irgendwie anders kürzen oder so?

Ich meine, beim Strafverfahren ist es doch egal, wie viele Anklagepunkte da sind, die Gebühren sind doch dieselben. Oder...?

Bin verwirrt... Wie rechnet man nun diesen teilweisen Freispruch gegenüber der Staatskasse ab?

Freu mich auf Antworten!
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Silvia
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#2

13.08.2009, 21:14

Hallo,

habt ihr vielleicht die Pflichtverteidigung übernommen und das Gericht meint vielleicht die Pflichtverteidigergebühren, die ihr eurer Rechnung gegenüberstellen sollt ?

Ich habe auch überhaupt keine Ahnung !

Liebe Grüße
Silvia
julia89
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#3

13.08.2009, 21:34

Nein, wir sind Wahlverteidiger. Von Pflichverteidiger oder so wurde nie geredet...

Wie gesagt: die vom Gericht haben in ihrem Schreiben gemeint, wir sollen die tätsächlich angefallenen Gebühren denen, die angefallen wären, wenn der Mandant NUR wegen den beiden *wirklichen* Straftaten zu uns gekommen wär um sich verteidgen zu lassen, gegenüber stellen. Mhh...
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Silvia
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#4

13.08.2009, 21:44

Hallo,

meint das Gericht vielleicht (da es sich um Betragsrahmengebühren handelt) dass ihr eure Rechnung vielleicht einer Rechnung gegenüberstellt, bei der die Betragsrahmengebühren niedriger angesetzt sind unter Berücksichtigung des § 14 RVG (Umfang, Schwierigkeit, ...) ? ? ?

Silvia
Gofi
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#5

13.08.2009, 23:49

:suche

und zwar Stichwort: Differenztheorie.
Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann.
julia89
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#6

18.08.2009, 18:17

Oh man, hilfe... :(

Ich hab jetzt stundenlang rumgesucht nach der Differenztheorie, hab auch einige Sachen gefunden, aber ich werde einfach nicht schlau draus...

Also ich hab verstanden, dass ich zwei Rechnungen machen muss.
Aber wie sehen diese Rechnungen genau aus...? Kann mir da mal bitte bitte jemand helfen?

Also ich hab auch schonmal verstanden, dass man mit dem Gebührenrahmen "spielen" muss. Aber darf ich da jetzt für die erste Rechnung (wo alle 6 Anklagepunkte - tatsächlich angefallene Gebühren) drin sind, wirklich mehr als die Mittelgebühren nehmen? Und wie viel mehr? Kann ich mir das aussuchen oder muss ich mich rechnerisch an dem Verhältnis Freispruch : Verurteilt (in meinem Fall 4:2) orientieren?

Ob mir mal jemand bitte die beiden Rechnungen als Beispiel vorrechnen kann? *lieb frag*
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Adora Belle
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#7

19.08.2009, 11:36

Ich versuchs mal. Es ist natürlich blöd, daß Ihr schon eine Berechnung mit den Mittelgebühren eingereicht habt. Das Gericht könnte argumentieren, daß Ihr Euch an dieser Gebührenbestimmung festhalten lassen müßt.

Richtig ist, daß du mit dem Gebührenrahmen "spielen" mußt. Das Argument, der Mdt hätte wegen der 2 verurteilten Punkte gar keinen Anwalt beauftragt, dürfte nicht ziehen. Ihr müßt trotzdem berechnen, welche Gebühren entstanden wäre, wenn er nur dafür beauftragt hätte.

Vorausgesetzt, die 6 Anklagepunkte sind etwa gleichwertig (also z.b. 6 mal Betrug), und Ihr wart nachweislich wegen der 2 verurteilten Vorwürfe nicht umfangreich tätig (sofort eingeräumt, keine oder nur kurze Beweisaufnahme nötig etc.), würde ich wohl für die fiktive Berechnung weit unterhalb der Mittelgebühr ansetzen.

Man könnte z.b. alle Gebühren bei 30% der Mittelgebühr ansetzen. Dann beträgt die Differenz zu Eurer Berechnung 70% der Mittelgebühr. Je nachdem, inwieweit die 2 verurteilten Taten bei der Verteidigung eine Rolle gespielt haben, können sich auch unterschiedliche Anteile für die einzelnen Gebühren ergeben.

Meine Berechnung sähe dann so aus:

Fiktiv
4100
4106
4108 jeweils 30% der MG
Kopien (anteilig für die beiden Taten)
Auslagenpauschale

Tatsächlich entstanden
4100
4106
4108 jeweils MG
Kopien insgesamt
Auslagenpauschale

Tatsächlich minus Fiktiv = Differenz

Schöner wäre es natürlich, die tatsächlichen Gebühren weit oberhalb der MG anzusetzen, dann hättest Du mehr Spielraum. Aber wie gesagt, ich befürchte, das habt Ihr Euch verbaut.
julia89
Foren-Praktikant(in)
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#8

19.08.2009, 21:04

Oh, das ist ganz lieb, ich glaub jetzt bin ich langsam dabei, alles zu verstehen ^^

Danke danke!
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