Laufbursche für drei Jahre?

Für Themen rund um die Berufsausbildung Rechtsanwaltsfachangestellte / Rechtsanwaltsfachangestellter. Bitte hier KEINE Fachfragen stellen, sondern dafür den richtigen Unterbereich wählen.
Wassermadl
Foren-Praktikant(in)
Beiträge: 5
Registriert: 02.11.2016, 21:21
Beruf: Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte
Software: Andere

#1

06.08.2017, 15:53

Hallo ihr Lieben,

ich habe zum 01.08 meine Ausbildung zur ReNoFa begonnen. Meine Kanzlei ist relativ groß (zwei Standorte) und kümmert sich hauptsächlich um Firmenmandate oder Privatpersonen aus dem gehobenen Mittelstand. Also gibt es eigentlich eine Menge zu tun und für uns Azubis (7 Neulinge) viel zu lernen.
Natürlich ist gerade mal eine Woche vergangen, dennoch habe ich jetzt schon Bedenken, ob ich in den Betrieb passe (vermeintlich andere Vorstellungen) oder eher nicht. Vielleicht könnt ihr ja eine kleine Einschätzung abgeben, denn ich bin wirklich unsicher.
Nun zum Wesentlichen:

Unser offizieller Ausbilder (im Vertrag) ist ein Rechtsanwalt und Notar. Dieser hat natürlich überhaupt keine Zeit, um uns anzulernen. Die Kanzlei hat aufgrund der Größe mehrere Sekretariate. Auf jedes Kommen ungefähr 3 bis 4 Anwälte (und Notare), die von maximal 2 Fachangestellten betreut werden. Die Damen und Herren haben also auch keine Möglichkeit, uns wirklich etwas beizubringen. Wer bleibt da also noch? Die Azubis aus den anderen Lehrjahren. Wir laufen ins 2- bis 3er-Gruppen mit einem von ihnen durch die Gegend und sie zeigen uns das Gröbste wie WVs, Postmappen, Bock, Aktenablage usw. Außerdem gehen wir mit zu den Botengängen, also zu Gericht, zur Bank, zur Post..

Dass diese Aufgaben zur Ausbildung gehören ist mir bewusst. Dass wir von Tag 1 noch keine große Hilfe sein können ist auch normal. Was mir aber nicht bewusst war (und vielleicht hatte ich da einfach andere Vorstellungen) : Dieses reine "Laufburschen-Dasein" wird noch mindestens bis ins 2. Lehrjahr laufen, wenn nicht auch noch bis zum 3. Das haben mir die anderen Azubis bestätigt.

Versteht mich nicht falsch. Ich möchte diesen Beruf umbedingt lernen. Dazu gehören eben auch eher unbeliebte Tätigkeiten. Ich für meinen Teil habe aber absolut nicht damit gerechnet, dass ich so lange nur auf diesem Level bleiben werde. Ich laufe also 8 Stunden nur durch die Kanzlei oder zu den Gängen, lerne die Programme nicht kennen usw. Ich möchte gerne so schnell wie möglich geistig gefordert werden, mir die wichtigen Dinge selbst erarbeiten wenn nun mal niemand sonst Zeit hat (sonst auch gerne unter Anleitung, dafür wird die Zeit aber nicht reichen). Das erste Diktat schreiben wir z.B. wohl frühestens am Ende des 1. LJs und das finde ich schade. Ich möchte wirklich lernen!!!!

Kann mir vielleicht jemand eine Einschätzung geben, ob ich mich doch einfach im Beruf geirrt habe (was ich nicht denke, habe mich viele Monate informiert) oder ob meine Erwartungen einfach nicht mit den Möglichkeiten und Vorstellungen meiner Kanzlei kompatibel sind? Ich bin wirklich verunsichert momentan..

Lieben Dank ☺️
Benutzeravatar
Soenny
Administratorin
Administratorin
...ist hier unabkömmlich !
Beiträge: 12224
Registriert: 21.02.2007, 11:07
Beruf: Bürovorsteherin
Software: RA-Micro
Kontaktdaten:

#2

06.08.2017, 16:37

Wie alt bist du? Es kommt mir so vor, als hättest du vorher schon was anderes gemacht, kann das sein?
❤️ Ich helfe Straßenkatzen, bitte helft mit: Homepage der Straßenkatzen Bonn/Rhein-Sieg e.V. ❤️

Bei manchen Menschen ist es interessant zu sehen, wie das Alter den Verstand überholt hat! (Autor: A.G.)


Bild Bild



An die Person, die meine Schuhe versteckt hat, während ich auf der Hüpfburg war: Werd' erwachsen! :motz
Wassermadl
Foren-Praktikant(in)
Beiträge: 5
Registriert: 02.11.2016, 21:21
Beruf: Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte
Software: Andere

#3

06.08.2017, 16:44

Ich bin 18 ☺️ Letztes Jahr gerade die Schule beendet.
Pitt
...ist hier unabkömmlich !
Beiträge: 3278
Registriert: 12.07.2012, 10:15
Beruf: RA-Fachangestellte
Software: Phantasy (DATEV)

#4

07.08.2017, 07:59

Da ich Deine konkreten Erwartungen an den Beruf nicht kenne, kann ich zu diesem Punkt nichts sagen.
Daher nur zum Thema Ausbildung:
Es gibt zwar den Ausbildungsrahmenplan, aber ob und wie der umgesetzt wird, obliegt jeder Kanzlei selbst und da es keinen "Ausbildungs-TÜV" gibt, in dem die Kanzleien nachweisen müssen, dass sie die geforderten Qualifikationen auch an ihre Auszubildenden in dem vorgegebenen Zeitraum vermitteln, gibt es erhebliche Qualitätsunterschiede in der Ausbildung. Das hängt nicht unbedingt von der Größe der Kanzlei ab. Eigentlich ist es eine Art Lotteriespiel, wohin man gerät und wie die Ausbildung abläuft. Es gibt Kanzleien, wo man 3 Jahre lang nur Akten sucht, Unterlagen kopiert und Kaffee kocht und dann gibt es Kanzleien, wo man relativ zügig in die Aktenbearbeitung eingebunden wird. In der Regel gibt es aber eine Gemeinsamkeit in den Kanzleien: Der Rechtsanwalt ist zwar lt. Ausbildungsvertrag Dein Ausbilder, in der Realität werden aber die Angestellten/anderen Azubis dafür veranwortlich sein, da in fast jeder Kanzlei der Rechtsanwalt keine Zeit und oft auch gar nicht die Kenntnisse (Stichworte: RVG, Zwangsvollstreckung) besitzt, um die Lerninhalte zu vermitteln. Wenn die älteren Azubis Dir bereits gesagt haben, wie deren Ausbildung bisher abgelaufen ist, dann kannst Du einschätzen, was dich dort in den kommenden 3 Jahren erwartet. Es ist allerdings auch nicht ungewöhnlich, dass man im 2. oder 3. Lehrjahr noch Botengänge macht und Wiedervorlagen raussucht, wenn z. B. die anderen Azubis wg. Urlaub/Berufsschule nicht da sind, nur sollte das nicht den kompletten 8-Stunden-Tag beanspruchen. Ich persönlich finde es zu spät, dem Azubi erst am Ende des 1. Lehrjahres ein Diktat zu geben. Ich kann Dir daher nur raten, die Probezeit zu nutzen und Deine Vorstellungen von der Ausbildung auch gegenüber Deinem Ausbilder zu äußern und nachzufragen, wann Du voraussichtlich diese oder jene Aufgabe übernehmen kannst. Wenn die Vorstellungen zu weit auseinanderdriften, dann bleibt Dir noch die Möglichkeit eines Wechsels.
Coco Lores
Absoluter Workaholic
Beiträge: 1084
Registriert: 19.06.2012, 20:38
Beruf: ReNoFa (tätig als ReFa)
Wohnort: NRW

#5

07.08.2017, 09:02

Ich schließe mich meinem Vorredner an!

Ich habe z.B. in einer kleinen Kanzlei (2 Anwälte) gelernt und durfte/musste von Anfang an Diktate schreiben etc. Das hat mich in meiner Ausbildung sehr weit nach vorne gebracht! Ich kann dir aber auch sagen, dass viele in meiner Berufsschulklasse damals, die in einer größeren Kanzlei gelernt haben, so wie du, sehr lange nur als "Bote" fungiert haben. Die kamen auch irgendwann in der Schule nicht mehr hinterher und haben sehr schnell die Lust an dem Beruf verloren, sodass einige die Kanzlei gewechselt haben bzw. sogar den kompletten Berufszweig!

Ich weiß, man kann nicht alle über einen Kamm scheren, das will ich auch gar nicht, denn es gibt bestimmt auch große Kanzleien, in denen der AZUBI nicht nur als Bote dient, aber es sind halt überwiegend meine Erfahrungen.

Wenn ich lese, dass max. 2 Fachangestellte auf 3-4 Anwälte/Notare treffen, dann kann ich mir sehr gut vorstellen, dass da keine Zeit bleibt sich auch noch um die AZUBIS zu kümmern. So fällt ja wahrscheinlich nichts an, woran du dich mal ein wenig versuchen könntest, wie z.B. ein Diktat schreiben oder mal einen Mahnbescheid etc. versuchen, da alles sehr zügig fertig werden muss. Das finde ich sehr schade.

Vielleicht kannst du aber auch mal ein Diktat schreiben, was von der Fachangestellten bereits gefertigt wurde, einfach nur, damit du mal üben kannst und weißt wie die Anwälte diktieren etc. Dann soll sie die Kassette einfach mal nicht löschen. Wenn du die Zeit dafür hättest.
Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man etwas Schönes bauen!!!
likema31
Kennt alle Akten auswendig
Beiträge: 587
Registriert: 23.06.2009, 21:00
Beruf: Rechtsanwältin

#6

07.08.2017, 09:19

Ich fürchte, Du bist nicht im falschen Beruf gelandet, sondern evtl. in der falschen Kanzlei.
Schreibblitz
Absoluter Workaholic
Beiträge: 1592
Registriert: 22.07.2014, 10:02
Beruf: RA-Fachangestellte
Software: RA-Micro

#7

07.08.2017, 09:29

Wenn du dich unterfordert fühlst, dann such das Gespräch mit deinem Chef. Vielleicht darfst du dann schon früher mit Arbeiten wie Diktate schreiben o.ä. beginnen.
Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden. (Reinhold Niebuhr)
Sunshine_1983
Forenfachkraft
Beiträge: 189
Registriert: 08.07.2007, 08:56
Beruf: ReFa
Software: Andere
Wohnort: Berlin

#8

07.08.2017, 09:40

Guten Morgen,

hört sich nach meiner ersten Ausbildungskanzlei an :kopfkratz
Da haben die Azubis im 1. LJ auch nur Akten gesucht, Post geöffnet, Botengänge erledigt, nach vier Wochen das Telefon bedient (ohne vorher mal "geübt" oder gelauscht zu haben), die ersten Akten haben wir angelegt, kopiert, sortiert, die Küche übernommen - ich glaub das wars. Im 2. LJ wurde man dann einem Sekretariat zugewiesen und dann kamen die Bänder dran und nach und nach die Aktenbearbeitung. Bei mir war allerdings nach sechs Wochen Schluss (von Seiten des Arbeitgebers) und mir hätte nichts besseres passieren können. Danach war ich bei drei Anwälten ohne Angestellte, aber mir viel allein erarbeiten, selbstständig arbeiten usw. lag mir wesentlich mehr.

Vielleicht solltest du die Probezeit nutzen, um dich nach etwas anderem umzusehen. So wie du es beschreibst, fühlst du dich da jetzt schon nicht wohl und es wäre schade, wenn du nicht doch noch etwas aus deinem Wunsch machen könntest.

Viel Glück!
Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert!

Ironie ist das Salz in der Suppe, was das Aufgetischte erträglich macht!
fury02
Forenfachkraft
Beiträge: 245
Registriert: 23.01.2009, 08:14
Beruf: ReNo-Fachangestellte
Software: ReNoStar

#9

07.08.2017, 10:05

Die Frage, auf welchem Level du bleibst, hängt aber auch in erster Linie von deiner Leistung ab. Du kannst die Arbeitsabläufe nach einer Woche doch noch überhaupt nicht beurteilen, dazu braucht es schon ein bisschen länger. Wenn du die dir übertragenenen Aufgaben zügig und in erster Linie natürlich richtig erledigst, wird es keinen Ausbilder geben, der nicht darauf eingeht und dir komplexere Aufgaben überträgt.
Butterblume
Daueraktenbearbeiter(in)
Beiträge: 459
Registriert: 08.03.2012, 14:43
Beruf: RA-Fachangestellte
Software: RA-Micro

#10

07.08.2017, 15:52

Ich kann von meiner Ausbildung folgendes berichten:

Ich habe in einer Kanzlei mit 5 Anwälten, 2 Renos, 3 Sekretärinnen sowie integriertem Steuerbüro und Zwangsverwaltung gelernt.

Das erste Lehrjahr bestand auch überwiegend aus Botentätigkeiten sowie Dingen die sonst keiner machen wollte. :sad: An manchen Tagen habe ich mich tatsächlich gefühlt, als würde ich Fitnesskauffrau lernen, aber nicht den Beruf der Refa. Der halbe Tag bestand zudem aus dem Suchen der Akten für die WV und die Akten in denen Post gekommen ist. Wir hatten eine Büroleitern (überwiegend zuständig für ZV) sowie einen weiteren Mitarbeiter der uns alle Sachen bzgl. Kosten erklärt hat. Mit den Anwälten hatten wir auch so gut wie nichts zu tun. Das Telefon dürfte man schon sehr schnell bedienen

Jeder Azubi hatte sein eigenes Fach, wo dann auch bestimmt Akten mit Arbeitsaufträgen lagen. Zudem dürften wir uns nach einer gewissen Zeit selbst Akten aus dem allgemeinen Verfügungsfach nehmen, mit einfachen Sachen wie zk und sowas.

Ab dem zweiten und dann im dritten Lehrjahr dürften wir dann immer mehr eigenständig bearbeiten und haben dann fast die komplette ZV allein gemacht. Nur unter meinem Drängen und betteln dürfte ich dann auch mal in den Sommerferien den Posteingang bearbeiten, sowas dürften wir eigentlich nie.

Wie du sehen kannst, war der Anfang meiner Ausbildung auch überwiegend mit Laufburschentätigkeiten geprägt. Ich kann aber im Nachhinein sagen, dass ich dort trotzdem eine gute Ausbildung genossen habe. Diese habe ich 2010 abgeschlossen und habe danach in einer kleinen Kanzlei mit 2 Anwältinnen angefangen wo ich absolut ALLES allein machen musste. Und was soll ich sagen: ich konnte es. Am Anfang habe ich auch an mir gezweifelt, ob ich das so hin bekomme, so ganz allein. Aber ich habe mich schnell rein gefunden und meine Chefinnen waren absolut zufrieden. :mrgreen:

Werf nicht gleich die Flinte ins Korn, sondern warte erst einmal ab. Wenn du dich unterfordert fühlst, kannst du immer noch nach größeren Aufgaben fragen.
Antworten