Insolvenzanfechtung

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mücki
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#11

19.07.2017, 15:03

Biene61 hat geschrieben:hm, die existierende Rechtsprechung bezieht sich aber nie auf den Fall, dass die Vergütung für Tätigkeit erfolgte, de für die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens zwingend erforderlich ist.

Laut Aussagen verschiedener Verwalter in unserer Region werden die Honorare für das außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren hier nicht angefochten. Vielmehr kucken die uns immer ganz ungläubig an, wie wir überhaupt auf so eine Idee kommen können...
Nunja, meiner Erinnerung nach ging es in dem Urteil um genau so etwas. Kann mich aber auch täuschen, da ich da in letzter Zeit nicht mehr rein geschaut habe. Grundsätzlich ist es aber so, dass ein Schuldner nicht gezwungen ist, für ein außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren zu zahlen, da er dies auch kostenlos über diverse Schuldnerberatungen (AWO etc.) in Anspruch nehmen kann. Nur sind da eben die Wartezeiten für viele deutlich zu lang. Bei uns ist es wie gesagt durchaus üblich, allerdings wird schon nach dem Einzelfall geschaut.

@RA-Tübingen
Wenn ich mich richtig entsinne, hat der InsVW bei derartigen Schlussfolgerungen darauf abzustellen, ob dies zum Zeitpunkt der "Beratung" auch klar und ersichtlich war. Ich würde daher versuchen, mich gegen die erklärte Anfechtung zu wehren. Bei einer Tätigkeit entsprechend der Beauftragung sollte dies kein Problem sein. Ruhig in das Schreiben mit aufnehmen, mit welchem Ansinnen die Mdt.in an einen herangetreten ist und dann mal sehen, wie die Reaktion ausfällt. Ohne genaue Kenntnis der Umstände/des Schreibens kann ich dazu auch nicht mehr sagen.
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Kanzleihund
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#12

19.07.2017, 20:04

Erstens:
Ich, Anfechtungs-Hans'l der Insolvenzverwalter, halte die Anfechtung in derartigen Konstellationen in den meisten Fällen (siehe auch Pkt 2.) für relativ erfolgversprechend. Ich kneife aber in der Regel beide Augen fest zu, wenn die Arbeit des Kollegen das von dem Schuldner gezahlte Honorar auch wert war. Wer windige Schuldnerberatung betreibt, was ich hier natürlich niemanden unterstelle, der beißt bei mir eher auf Granit.

Zweitens:
Wie wurde denn das Honorar abgerechnet?
Es könnte ein Bargeschäft i.S.d. § 142 InsO vorliegen. Auch wenn der noch geltende Gesetzestext etwas anderes besagt, greift das Bargeschäft, dort bargeschäftsähnliche Lage genannt, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mittlerweile auch im Fall des § 133 Abs. 1 InsO.

Ein Bargeschäft liegt allerdings nur vor, wenn zwischen der Leistung des Anwalts und der Honorarzahlung bzw. im Fall einer Vorschusszahlung auch zwischen der Zahlung des Mandanten und der Leistung des Anwalts nicht mehr als drei Wochen vergehen. Steht in einer schon etwas älteren BGH-Entscheidung, da müsste ich mal nachschauen. Ist mir heute aber zu warm und zu spät.

Drittens:
Wo kamen denn die Mittel her?
Sofern Zahlungen aus einem nicht pfändbaren Einkommen erfolgen, ist eine Insolvenzanfechtung ausgeschlossen. Denn wenn die Gläubiger auf die finanziellen Mittel ohnehin nicht im Weg der Zwangsvollstreckung zugreifen können, dann werden sie durch die Zahlung aus diesen nicht benachteiligt.

Mein Praxistip:
Zeitnahe Abrechnungen bzw. sich das Honorar gleich von einem dritten Familienmitglied zahlen lassen. Auch Drittzahlungen sind von einer Insolvenzanfechtung ausgenommen, weil sie die Gläubiger des Insolvenzschuldners ebenfalls nicht benachteiligen.

Ein hohes Risiko bleibt auch, die Honorarzahlung erst nach Insolvenzeröffnung zu vereinnahmen. Zahlen darf der Schuldner höchstrichterlich abgesegnet allemal; durchsetzen kann man die Forderung, weil eigentlich Insolvenzforderung, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens freilich nicht mehr.
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paralegal6
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#13

20.07.2017, 07:04

Hier bei uns bekommt man auch nur schwierig Beratungshilfe für Insolvenz da das AG argumentiert dass man es ja überall kostenlos erhalten kann
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Biene61
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#14

20.07.2017, 11:28

@kanzleihund:
Die Hinweise sind durchaus zutreffend. Auch meine Mandanten haben praktisch immer einen "Gönner", der ihnen die Kosten des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens zahlt, wenn sie über pfändbare Einkünfte verfügen. Auf die Diskussion wg. Bargeschäft oder bargeschäftsähnliche Lage habe ich absolut keine Lust, zumal es ohnehin schwierig, wenn nicht unmöglich ist, die abgerechneten Leistungen jeweils innerhalb von 3 Wochen zu erbringen.

Im Übrigen passiert bei uns bei derartigen Mandaten selbstverständlich nichts ohne Vorschuss... Wer für seinen Mandanten das Insolvenzverfahren vorbereitet ohne sich vor der Eröffnung das Honorar zahlen zu lassen, hat ich glaube die Gründzüge des Insolvenzrechts nicht verstanden.

Letztlich dürfte es für den Insolvenzverwalter nicht unproblematisch sein, die Geltendmachung bestehender Anfechtungsansprüche davon abhängig zu machen, ob die Gegenleistung angemessen war. Meines Wissens nach ist der Insolvenzverwalter verpflichtet, sämtliche Ansprüche durchzusetzen. Wenn davon der falsche Gläubiger Wind bekommt, gibts sicherlich jede Menge Arbeit...
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Kanzleihund
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#15

20.07.2017, 12:32

Biene61 hat geschrieben:Letztlich dürfte es für den Insolvenzverwalter nicht unproblematisch sein, die Geltendmachung bestehender Anfechtungsansprüche davon abhängig zu machen, ob die Gegenleistung angemessen war. Meines Wissens nach ist der Insolvenzverwalter verpflichtet, sämtliche Ansprüche durchzusetzen. Wenn davon der falsche Gläubiger Wind bekommt, gibts sicherlich jede Menge Arbeit...
Und jede Menge Ärger... Aber trotz gegenteiliger Gerüchte sind Insolvenzverwalter auch nur Menschen :schock .
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Biene61
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#16

20.07.2017, 13:07

wollte ich nie und nimmer etwas gegenteiliges behaupten ;)
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Kanzleihund
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#17

20.07.2017, 13:30

Sollte auch nur heißen, manchmal kommt bei uns mit den Anfechtungsgegnern schon ein gewisses Mitgefühl auf, allerdings nur ein klitzekleines bisschen :schock :mrgreen: .

Denn als Insolvenzverwalter darf man weder harmoniesüchtig sein, noch von allzu großen Skrupeln geplagt.
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#18

20.07.2017, 22:20

Die zahlung wurde überwiesen und wir haben sofort angefangen. also innerhalb der 30 tage.

Das Geld hat sie sich wohl von Dritten geliehen, aber dann von Ihrem Konto überwiesen.

Für mich lag die Überschuldung nicht klar auf der hand, so dass der Vorsatz des § 133 InsO fraglich ist. Die Mdtin hat nach ihren Angaben Geld für essen und Miete erhalten, das muss ja als fikives Einkommen addiert werden, so dass die Zahlungunfähigkeit für mich fraglich war.

Im nachhinein bestreiten die Mdtin die Zahlungen für essen und miete von Dritten, aber ihr Arbeitgeber hatte mir ebenfalls die Kenntnis bestätigt.
RA-Tübingen

#19

20.07.2017, 22:23

das komische ist, dass der treuhänder das geld haben will, weil er behauptet, ich hätte gar nicht gemacht.

Das sagt nicht mal die Schuldnerin, die wollte nur das geld haben, weil sie meint es wäre mit Beratungshilfe möglich gewesen, aber diese gibt es bei uns gerade nicht.
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#20

21.07.2017, 09:59

Die Darlegungs- und Beweislast, welche Leistungen von Dir erbracht wurden, liegt leider bei Deiner Person.
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