allgemeine Informationen zum Insolvenzverfahren

Hier hinein gehören alle Themen rund um die Insolvenz.
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mücki
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#1

06.07.2018, 11:57

Da mir auffällt, dass bei vielen die gleichen Fragen auftauchen, dachte ich mir, ich stelle ein paar allgemeine Informationen über den Ablauf des Insolvenzverfahren zusammen, damit sich jeder einen kleinen Überblick verschaffen und dann ggf. genauer nachfragen kann.

Zunächst einmal ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen:
1. Regelinsolvenzverfahren (IN) und
2. Verbraucherinsolvenzverfahren (IK).

Regelinsolvenzverfahren

Voraussetzungen:
Im Gegensatz zum Verbraucherinsolvenzverfahren (s.u.) kann bzw. muss der Antrag auf Eröffnung direkt beim Insolvenzgericht gestellt werden. Da das Verfahren nur eröffnet wird, wenn die Kosten des Verfahrens (§ 54 InsO) gedeckt sind, wird vom Gericht zumeist noch am gleichen Tag ein Sachverständiger bestellt, der prüft, ob die voraussichtlich realisierbare Masse ausreicht, um die Verfahrenskosten zu decken oder der Schuldner (sofern es sich um eine natürliche Person handelt) muss einen Stundungsantrag stellen

Kommt es zu einer Abweisung mangels Masse führt dies dazu, dass Firmen wegen Vermögenslosigkeit gelöscht werden.

Verbraucherinsolvenzverfahren (vereinfachtes Insolvenzverfahren ausschließlich für natürliche Personen)

Voraussetzungen:
Diese Verfahrensart trifft alle zahlungsunfähigen natürlichen Personen bzw. Personen, denen Zahlungsunfähigkeit droht. Man darf nicht mehr als 20 Gläubiger haben und es dürfen keine Verbindlichkeiten aus Beschäftigungsverhältnissen mit Arbeitnehmern bestehen. Das heisst, dass grundsätzlich auch natürliche Personen, die selbstständig tätig waren oder sogar noch sind, die Durchführung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens beantragen können.

Vor Antragstellung ist zwingend der außergerichtliche Einigungsversuch durchzuführen. Im Zuge dessen werden alle Gläubiger angeschrieben und um eine Forderungsaufstellung gebeten auf deren Grundlage dann der Schuldenbereinigungsplan (häufig ein sog. "Nullplan") erstellt wird. Dieser wird den Gläubigern zur Abstimmung übersandt. Stimmen diese dem Plan zu, kann das Insolvenzverfahren abgewendet werden. Erfolgt die Zustimmung nicht, erhält der Schulder eine Bescheinigung über das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuches (§ 305 InsO) mit der er dann die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen kann.

vorläufiges Insolvenzverfahren:

Bei juristischen Personen deren Geschäftsbetrieb fortgeführt wird oder auch, wenn zu befürchten steht, dass Vermögen "bei Seite geschafft wird" wird der Sachverständige die Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens anregen. Dann zwischen der sog. starken bzw. schwachen vorläufigen Verwaltung zu unterscheiden. Bei der "starken" vorläufigen Verwaltung hat der vorläufige Verwalter schon fast alle Befugnisse des Insolvenzverwalters, da die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das schuldnerische Vermögen auf diesen übergeht (§ 21 InsO), während bei der "schwachen" vorläufigen Verwaltung der vorläufige Verwalter das schuldnerische Vermögen lediglich zu sichern hat.

Ablauf der Verfahren bei Eröffnung

Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, erhalten die Gläubiger (die dem Insolvenzverwalter bekannt sind) i.d.R. ein Schreiben in dem Sie aufgefordert werden, ihre Forderungen bis zu einem bestimmten Tag beim Insolvenzverwalter zur Tabelle (§ 38 InsO) anzumelden. Man kann seine Forderungen auch später anmelden (bis zum Schlusstermin), muss dann aber damit rechnen, dass seitens des Insolvenzgerichts für den dann erforderlichen nachträglichen Prüfungstermin eine Gebühr i.H.v. derzeit 20,00 € erhoben wird.

Bitte Obacht: Entgegen der Meinung vieler Gläubiger, ist der Insolvenzverwalter zwar verpflichtet, die Gläubiger zu informieren. Dieser kann aber natürlich nur diejenigen Gläubiger informieren, von denen er Kenntnis hat, was er auch tun wird. Gläubiger sind daher weiterhin selbst verpflichtet, sich über ihre Schuldner "auf dem Laufenden" zu halten.

Alle Forderungen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, nehmen am Insolvenzverfahren teil. Das heisst nicht, dass ihr euch die Anmeldung sparen könnt, sondern dass eure Forderungen z.B. von der Erteilung einer eventuell beantragten Restschuldbefreiung (RSB) genauso umfasst sind, ihr diese also nach Erteilung der RSB nicht mehr durchsetzen könnt.

In der Forderungsanmeldung (FOA) ist immer anzugeben, ob die Forderung tituliert ist oder nicht sowie ob es sich um eine Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung handelt oder ob ein Ab- oder Aussonderungsrecht geltend gemacht wird und es sind alle vorhandenen Belege beizufügen. Zinsen können grundsätzlich nur bis zum Tag der Insolvenzeröffnung angemeldet werden.

Wenn eure Forderungen zur Tabelle festgestellt werden, erhaltet ihr keine Benachrichtigung nach dem Prüfungstermin. Gläubiger deren Forderungen ganz oder teilweise bestritten wurden, erhalten ein Tabellenblatt. Ist diesem der Grund des Bestreitens nicht zu entnehmen, ist eine entsprechende Anfrage beim Insolvenzverwalter - sofern dieser kein Gkläubigerinformationssystem nutzt - zu stellen.

Solange unter http://www.insolvenzbekanntmachungen.de keine Veröffentlichungen erfolgen, könnt ihr davon ausgehen, dass das Insolvenzverfahren noch läuft. Bitte nutzt für eure Suchen immer die Detailsuche, damit ihr alle Veröffentlichungen zum Verfahren angezeigt bekommt.

Während des Insolvenzverfahrens herrscht für alle Gläubiger gem. § 38 InsO ein Vollstreckungsverbot. Ebenso werden Rechtsstreite, die vor Eröffnung anhängig waren von Amts wegen unterbrochen (§ 240 ZPO).

Wenn irgendwann alle Vermögenswerte realisiert sind (oder auch nicht) reicht der Insolvenzverwalter beim Insolvenzgericht seinen Schlussbericht ein und das Gericht veröffentlicht einen Schlusstermin. Zwischen Einreichtung Schlussbericht und Anberaumung Schlusstermin kann manchmal tatsächlich sehr viel Zeit liegen, was dann aber nicht an den Verwaltern liegt, sondern andere Gründe hat. Auch bis das Verfahren dann tatsächlich aufgehoben wird kann noch mal einige Zeit ins Land gehen.

Sachstandsanfragen:
Der Insolvenzverwalter ist nicht verpflichtet, die Gläubiger ausserhalb der Gläubigerversammlungen bzw. der Berichtstermine über den Sachstand zu informieren. Jeder Gläubiger kann sich bei Gericht den aktuellen Verwalterbericht anfordern (sofern kein Gläubigerinformationssystem vorhanden ist). Wenn ihr - aus welchen Gründen auch immer - trotzdem Sachstandsanfragen an einen Insolvenzverwalter stellen wollt, fasst euch bitte in Geduld, denn es gehen täglich hunderte Sachstandsanfragen (nein, das ist nicht übertrieben) ein. Manche Verwalter geben auch telefonisch Auskunft oder übersenden Berichte unkompliziert per Mail.

Last but not least:
Dass der Verwalter mehr Geld bekommt, je länger das Verfahren dauert, stimmt (leider) nicht vollständig. Die Verwaltervergütung und die Gerichtskosten berechnen sich nach der Höhe des Massebestandes (der Barmassebestand ist also der Gegenstandswert der Verwaltervergütung. Dauert ein Verfahren länger können Zuschläge angesetzt werden. Diese sind jedoch nicht so hoch, dass es sich lohnen würde, das Verfahren künstlich zu verzögern.

Verteilungsreihenfolge, Quote:
Wenn die vorhandene Masse ausreicht, um die Massekosten (§ 54 InsO, also Verwaltervergütung und Gerichtskosten) zu zahlen, kommen als nächstes die Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO), also diejenigen Kosten, die der Insolvenzverwalter z.B. für Steuerberatung, Löhne etc. begründet hat, an die Reihe (ich belasse es bei der "groben" Aufteilung). Wenn diese Forderungen vollständig befriedigt sind und noch immer Masse vorhanden ist, bekommen die Gläubiger gem. § 38 InsO eine Quote. Entgegen der noch immer häufig vertretenen Ansicht, sind alle seit Einführung der InsO im Jahre 1999 fast alle Gläubiger gleich. Soll heißen, es wird nur noch nach den Kriterien der §§ 54, 55, 38 und 39 InsO unterschieden und nicht mehr danach, ob jemand Finanzamt oder Lieschen Müller heisst.

Quotenzahlungen:

Die Höhe der Quote ist für alle Gläubiger gleich. Natürlich bedeutet eine Quote von z.B. 5 % dass einer 5,75 € bekommt und der ein andere vielleicht 585,00 €, das liegt aber an der Höhe der Forderungen. Relevant dafür ob man eine Quote erhält ist nicht wieviel man angemeldet hat, sondern in welche Höhe die Forderung festgestellt wurde.

Die Höhe der Quote berechnet sich also wie folgt:

Barmassebestand - § 54 InsO = X
X - § 55 InsO = Y
Y : Höhe der festgestellten Forderungen * 100 = Quote in %

In (sehr) seltenen Fällen kann es passieren, dass soviel Masse generiert werden konnte, dass die §§ 54, 55 und 38 InsO voll befriedigt werden können. Dann (und nur dann) erhalten die Gläubiger gem. § 39 InsO (Nachrang) eine Aufforderung Ihre Forderungen anzumelden.

Ich hoffe, dass dies weiterhilft und einige Fragen beantwortet. Sollte der Beitrag gegen irgendwelche Regeln verstoßen, bitte ich um Löschung.

VG
Zuletzt geändert von mücki am 06.07.2018, 21:28, insgesamt 1-mal geändert.
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#2

06.07.2018, 12:49

Vielen Dank und dazu noch eine Frage:


Kann der Verbraucher das Schuldenbereinigungsverfahren selbst durchführen oder erhält er dann die Bescheinigung nicht?

Wenn nein, wer trägt die Kosten?
Zuletzt geändert von Kaffeeschubse am 06.07.2018, 13:57, insgesamt 1-mal geändert.
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#3

06.07.2018, 13:32

Da die Bescheinigung über das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuchs von einer "geeigneten Person oder Stelle" erteilt werden muss, kann man das "Verfahren" nicht allein durchführen.

Wenn sich der Schuldner für den außergerichtlichen Einigungsversuch eine Person oder Institution aussucht, die Geld dafür verlangt, dann muss er diese Kosten in der Regel selbst tragen. Dies vor dem Hintergrund, dass viele Schuldnerberatungen (z.B. der AWO) kostenfrei arbeiten. Dort sind dann natürlich ggf. auch etwas längere Wartezeiten in Kauf zu nehmen.
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#4

06.07.2018, 13:38

Wenn sich der Schuldner für den außergerichtlichen Einigungsversuch eine Person oder Institution aussucht, die Geld dafür verlangt, dann muss er diese Kosten in der Regel selbst tragen. Dies vor dem Hintergrund, dass viele Schuldnerberatungen (z.B. der AWO) kostenfrei arbeiten. Dort sind dann natürlich ggf. auch etwas längere Wartezeiten in Kauf zu nehmen. [/color][/quote]

Danke für Deine Ausführungen :wink1
Zuletzt geändert von Kaffeeschubse am 06.07.2018, 13:56, insgesamt 1-mal geändert.
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#5

06.07.2018, 13:50

@kaffeeschubse:

Ich habe eine Bitte, kannst du bitte die von mir zitierten Posts aus deinen Posts rauslöschen? Das macht das Ganze nur unnötig lang und unübersichtlich (der ist ja ohnehin schon ziemlich lang).

Danke und VG
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