Geschäftswert Erbvertrag

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larifari
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#1

14.12.2017, 10:32

Guten Morgen alle zusammen :wink1

Mein Chef und ich sind uns uneinig über die Abrechnung bzw. die Geschäftswertermittlung bei einem Erbvertrag. Zum Sachverhalt: An einem Tag (direkt hintereinander) hat mein Chef einen Erbvertrag zwischen Ehegatten und im Anschluss daran einen Grundstücksübertragungsvertrag (Übertragung von Eltern auf Kinder) beurkundet.

Die Verkehrswerte der Grundbesitze wurden mit 450.000,00 € und 650.000,00 € angegeben. Ihr restliches Vermögen haben die Ehegatten mit 70.000,00 € und 8.000,00 € (keine Schulden vorhanden) angegeben.

Es stellt sich jetzt die Frage, ob der Erbvertrag nach dem Gesamtwert von 1.178.000,00 € abgerechnet werden kann/muss (weil zeitlich vor dem Übertragungsvertrag) und/oder die Übertragungen ggfs. als Verbindlichkeiten angesehen werden können/müssen und somit bis zur Hälfte des (jeweiligen) Vermögens abgezogen werden oder ob nur das restliche Vermögen maßgeblich ist, weil nur das vererbbare Vermögen maßgeblich ist.

Wie würdet Ihr das beurteilen?

Vielen Dank schon einmal für Eure Antworten!
Martin Filzek
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#2

14.12.2017, 12:59

larifari hat geschrieben:Guten Morgen alle zusammen :wink1

Mein Chef und ich sind uns uneinig über die Abrechnung bzw. die Geschäftswertermittlung bei einem Erbvertrag. Zum Sachverhalt: An einem Tag (direkt hintereinander) hat mein Chef einen Erbvertrag zwischen Ehegatten und im Anschluss daran einen Grundstücksübertragungsvertrag (Übertragung von Eltern auf Kinder) beurkundet.

Die Verkehrswerte der Grundbesitze wurden mit 450.000,00 € und 650.000,00 € angegeben. Ihr restliches Vermögen haben die Ehegatten mit 70.000,00 € und 8.000,00 € (keine Schulden vorhanden) angegeben.

Es stellt sich jetzt die Frage, ob der Erbvertrag nach dem Gesamtwert von 1.178.000,00 € abgerechnet werden kann/muss (weil zeitlich vor dem Übertragungsvertrag) und/oder die Übertragungen ggfs. als Verbindlichkeiten angesehen werden können/müssen und somit bis zur Hälfte des (jeweiligen) Vermögens abgezogen werden oder ob nur das restliche Vermögen maßgeblich ist, weil nur das vererbbare Vermögen maßgeblich ist.

Wie würdet Ihr das beurteilen?

Vielen Dank schon einmal für Eure Antworten!
Ich denke, zur Lösung der Frage sind die Kommentare zu § 21 GNotKG heranzuziehen und der Grundsatz, dass der Notar verpflichtet ist, den bei gleicher Sicherheit kostengünstigsten Weg zu weisen. In 2 - 3 Kommentierungen ist die Reihenfolge der Beurkundungen, wenn sich diese auf den bei anderer Reihenfolge niedrigeren Geschäftswert auswirkt, schon genannt, und auch von selbst wird man wohl darauf kommen, dass der Notar hinweisen müsste auf einen günstigeren Geschäftswert des Erbvertrags, wenn dieser zeitlich nach der Beurkundung des Übergabevertrags an die Kinder beurkundet würde, denn dann würde ja der Übertragungsanspruch (auch wenn die Eheleute / Übertraggeber ja erst mal Eigentümer bleiben) um den schuldrechtlichen Übertragungsanspruch als Schulden gemindert und das Vermögen bis zur 50 %-Grenze mindern. All dies setzt aber voraus, dass keine Rechtfertigungsgründe für eine umgekehrte Beurkundungsreihenfolge gesprochen haben, z. B. könnte es ja aus erb- und steuerrechtlichen Gründen zuznächst erforderlich gewesen sein, den Erbvertrag zu beurkunden (kann ich mir allerdings nicht als sehr wahrscheinlich vorstellen, vielleicht würde das gelten bei vorherigen ehevertraglichen und güterrechtlichen Regelungen wie bei Güterstandsschaukel usw., die hier aber wohl nicht vorliegen).
Deshalb würde ich also im konkreten Fall unter Anwendung von § 21 GNotKG (den man vielleicht auch gar nicht erwähnen müsste, denn für mehrere Urkunden an einem Tag ist doch gar nicht vorgeschrieben, dass diese auch innerhalb des einzelnen Tages in aufeinanderfolgender Reihenfolge in die Urkundenrolle eingetragen werden müssen, so dass also z. B. eine Urkunde 1001/2017 zeitlich vor UR. 1000/2017 vom selben Tag beurkundet sein könnte?).

Noch weiter würde man die Belehrungspflicht des Notars strapazieren, wenn man von ihm den Hinweis erfordert, auf die Möglichkeit hinzuweisen, zunächst nur die Übertragung auf die Kinder zu beurkunden und dann erst, wenn das Eigentum umgeschrieben ist, den Erbvertrag mit dem dann verbleibenden kleinen Wert. Dies wäre natürlich nicht gleich sicher wie die sofortige Beurkundung, so dass dieser Gesichtspunkt also ausscheidet, aber wenn ein Notar trotzdem diese Hinweise gibt und sich die Beteiligten danach dann anders entscheiden (also für die spätere Beurkundung des Erbvertrags nach Eigentumsumschreibung unter Inkaufnahme des "Risikos" in der Zwischenzeit abzuleben) wäre das wohl nichts Verbotenes und die Mandanten würden die Freundlichkeit des Notars vielleicht zu schätzen wissen und ihn weiter empfehlen.

Wenn der Übertragungsvertrag verschiedene vorbehaltene Rechte für die Eltern vorsieht, z. B. Wohnrecht, Nießbrauch, Pflege usw., wäre dies natürlich trotz der Übertragung auch nach Eigentumsumschreibung beim Wert des späteren Erbvertrags zu berücksichtigen.
Fragen zum GNotKG? http://www.filzek.de
larifari
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#3

14.12.2017, 14:57

Lieber Herr Filzek, wieder einmal vielen Dank für die Antwort!

Die Beteiligten wollten beide Verträge, also den Erbvertrag und den Übertragungsvertrag, in einem Termin beurkunden lassen. Der Erbvertrag ist deshalb vor dem Übertragungsvertrag beurkundet worden, weil sich ein Kind verspätet hat und die Beteiligten schon einmal anfangen wollten.

Mein Chef möchte den Geschäftswert gerne wie folgt berechnen:

Der Mann hat (vor Beurkundung des Übertragungsvertrages) ein Vermögen von insgesamt 520.000,00 € (davon 450.000,00 € Grundstück). In dem Übertragungsvertrag hat er sich ein Nießbrauchsrecht und ein Rückforderungsrecht vorbehalten. Außerdem ist ihm ein auf den Tod der Frau aufschiebend bedingtes Nießbrauchsrecht und Rückforderungsrecht an dem Grundstück der Frau, welches auf das andere Kind übertragen wird, vorbehalten.

Die Frau hat (vor Beurkundung des Übertragungsvertrages) ein Vermögen von insgesamt 658.000,00 € (davon 650.000,00 € Grundstück). In dem Übertragungsvertrag hat sie sich ein Nießbrauchsrecht und ein Rückforderungsrecht vorbehalten. Außerdem ist ihr ein auf den Tod des Mannes aufschiebend bedingtes Nießbrauchsrecht und Rückforderungsrecht an dem Grundstück des Mannes, vorbehalten.

Die Nießbrauchsrechte und die Rückforderungsrechte (auch die jeweils aufschiebend bedingten) sollen dem jeweiligen Vermögen hinzugerechnet und dann der jeweilige Übertragungsanspruch des Kindes als Verbindlichkeit (bis zur Höhe des jeweiligen hälftigen Vermögens) abgezogen werden.

Wäre das so tatsächlich in Ordnung? Mir stellt sich auch die Frage, ob denn ein Nießbrauchsrecht, das mangels Eintragung noch nicht entstanden ist, zum Aktivvermögen gehört. Oder gehört es bereits mit wirksamer Einigung zum Aktivvermögen?
Martin Filzek
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#4

14.12.2017, 18:33

larifari hat geschrieben:Lieber Herr Filzek, wieder einmal vielen Dank für die Antwort!

Die Beteiligten wollten beide Verträge, also den Erbvertrag und den Übertragungsvertrag, in einem Termin beurkunden lassen. Der Erbvertrag ist deshalb vor dem Übertragungsvertrag beurkundet worden, weil sich ein Kind verspätet hat und die Beteiligten schon einmal anfangen wollten.

Dann würde ich mal davon ausgehen, dass ein Hinweis auf die durch die umgekehrte Beurkundungsreihenfolge ggf. entstehenden Mehrkosten durch evtl. höheren Geschäftswert des Erbvertrags nicht stattgefunden hat und insoweit dann § 21 GNotKG wie oben vorgeschlagen anwendbar wäre bzw. man es so sehen könnte, dass eine Unterbrechung des Erbvertrags nach Eintreffen des verspäteten Kindes zum Übergabevertrag und danach Weiterbeurkundung erst des Erbvertrags möglich gewesen wäre und es somit - auch wegen der durch evtl. höhere Nummer aus Urkundenrolle des Übertragungsvertrags am selben Tag - so gewertet werden kann und muss, dass zunächst der Übertragungsvertrag und danach dann der Erbvertrag vereinbart wurden.

Mein Chef möchte den Geschäftswert gerne wie folgt berechnen:

Der Mann hat (vor Beurkundung des Übertragungsvertrages) ein Vermögen von insgesamt 520.000,00 € (davon 450.000,00 € Grundstück). In dem Übertragungsvertrag hat er sich ein Nießbrauchsrecht und ein Rückforderungsrecht vorbehalten. Außerdem ist ihm ein auf den Tod der Frau aufschiebend bedingtes Nießbrauchsrecht und Rückforderungsrecht an dem Grundstück der Frau, welches auf das andere Kind übertragen wird, vorbehalten.

Die Frau hat (vor Beurkundung des Übertragungsvertrages) ein Vermögen von insgesamt 658.000,00 € (davon 650.000,00 € Grundstück). In dem Übertragungsvertrag hat sie sich ein Nießbrauchsrecht und ein Rückforderungsrecht vorbehalten. Außerdem ist ihr ein auf den Tod des Mannes aufschiebend bedingtes Nießbrauchsrecht und Rückforderungsrecht an dem Grundstück des Mannes, vorbehalten.

Die Nießbrauchsrechte und die Rückforderungsrechte (auch die jeweils aufschiebend bedingten) sollen dem jeweiligen Vermögen hinzugerechnet und dann der jeweilige Übertragungsanspruch des Kindes als Verbindlichkeit (bis zur Höhe des jeweiligen hälftigen Vermögens) abgezogen werden.

Wäre das so tatsächlich in Ordnung? Mir stellt sich auch die Frage, ob denn ein Nießbrauchsrecht, das mangels Eintragung noch nicht entstanden ist, zum Aktivvermögen gehört. Oder gehört es bereits mit wirksamer Einigung zum Aktivvermögen?
Die im letzten Absatz genannten Bedenken hätte ich auch. Im Ergebnis würden die Beteiligten / Kostenschuldner ja dann dadurch "doppelt bestraft" wenn man das volle Grundvermögen für den Erbvertrag zugrunde legt und zusätzlich noch zum Vermögen die künftigen Nießbrauchs- und Rückübertragungsrechte, die ja erst bei Wirksamkeit und Abschluss des Übertragungsvertrags entstehen wenn zugleich die Übertragungsrechte mindestens zu 50 % wegfallen würden, auch noch hinzurechnet. Das kann m. E. niemals Sinn und Zweck der Wertvorschriften in §§ 102, 38, 96 gewesen sein, denke ich.
Zur konkreten Berechnung der Werte des Nießbrauchrechts bräuchte man noch das Alter für den maßgeblichen Multipiikator, den Jahreswert des Nießbrauchsrechts (ggf. nach § 52 Abs. 5 fünf Prozent des Verkehrswerts?) und müsste anhand des gesamten Vertragsinhalts zu den Rückforderungsrechten den insoweit richtigen Wert über §§ 50, 51 zu ermitteln versuchen (vgl. hierzu auch OLG Hamm Beschluss vom 25.09.2016 Az. 15 W 74/35, ZNotP 2015, 397 mit Anm. Fackelmann = RNotZ 2016, 68 = FGPrax 2016, 40 = MDR 2015, 1328 und Filzek, Skript Notarkostenrecht 2. Hj. 2017 S. 99 f. bzw. bei früheren Auflagen evtl. einige Seiten davor ca.).
Bitte dem Chef sagen, dass die ganze Sache so schwierig ist, dass nur eine entgeltliche Prüfung durch meinen Notarkosten-Dienst (beschrieben auf Internetseite filzek.de) anhand einer anonymisierten Urkundenabschrift empfohlen wird, damit ich nicht immer umsonst über so schwierige Dinge nachdenken muss, Weihnachten steht ja auch vor der Tür und ich hätte ja auch dazu sonst nichts von ihm bekommen (oder ist schon ein liebes Weihnachtsgeschenk - z. B. eine Kiste Rot- oder Weißwein - für mich unterwegs?).
Fragen zum GNotKG? http://www.filzek.de
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#5

15.12.2017, 06:06

Martin Filzek hat geschrieben: Bitte dem Chef sagen, dass die ganze Sache so schwierig ist, dass nur eine entgeltliche Prüfung durch meinen Notarkosten-Dienst (beschrieben auf Internetseite filzek.de) anhand einer anonymisierten Urkundenabschrift empfohlen wird, damit ich nicht immer umsonst über so schwierige Dinge nachdenken muss, Weihnachten steht ja auch vor der Tür und ich hätte ja auch dazu sonst nichts von ihm bekommen (oder ist schon ein liebes Weihnachtsgeschenk - z. B. eine Kiste Rot- oder Weißwein - für mich unterwegs?).
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Das werde ich ausrichten und der Wein wäre auf jeden Fall verdient!
:thx
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