Weiterbildung zur Rechtsfachwirtin

In diesem Bereich können Themen rund um Fortbildung und Weiterbildung besprochen werden. Rechtsfachwirte und -interessierte bitte hier lang.
S.R.
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#1

01.08.2018, 11:23

Guten Mittag zusammen,

ich bin nun seit mehr als einem Jahr mit meiner Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten fertig. Anfangs war es für mich eigentlich klar, dass ich nach zwei Jahren Berufserfahren den Rechtsfachwirt mache. Nachdem ich mich aber mit einer ehemaligen Kollegin unterhalten habe, wurde ich etwas nachdenklich.

Ich bin in einer sehr kleinen Kanzlei mit drei Rechtsanwälten als einzige Fachkraft angestellt. Es gibt noch zwei Schreibkräfte und eine Dame am Empfang.

Macht es überhaupt Sinn den Fachwirt hier zu machen? Vieles was ich dort lerne werde ich hier ja nicht anwenden können und dann auch wieder vergessen.

Vielleicht doch lieber für den Rechtspfleger bewerben? Abitur habe ich. Direkt nach dem Abitur wurde ich für dieses duale Studium nicht genommen, vlt. hilft die Ausbildung und die Berufserfahrung ja bei diesem Versuch.

Vielen Dank schon mal für eure Meinungen ! :wink1
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Andy66
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#2

01.08.2018, 16:39

Ich bin der Meinung, dass sich Weiterbildung auf jeden Fall rentiert. Bedenke, dass Du vermutlich nicht bis zur Rente in deiner Kanzlei bleiben wirst. Du wirst dich dein ganzes Berufsleben lang weiterbilden müssen, sonst bist Du schnell "weg vom Fenster". Wenn Du das Gelernte in dieser Kanzlei nicht anwenden kannst, dann vielleicht in einer anderen. Du bist noch jung, Du weißt nicht, wo dich der Weg hinführt. Und leider hilft es nicht, etwas zu können, sondern das muss auch von neutraler Stelle bescheinigt werden. Arbeitgeberzeugnisse sind nie so wertvoll wie ein Prüfungszeugnis. Aus Erfahrung kann ich nur sagen, Du weißt gar nicht, was Du nicht weißt - ich mein das nicht böse. Es gibt in dem Beruf noch Einblicke zu gewinnen, von denen Du momentan noch nichts ahnst.

Letztlich hängt es natürlich auch davon ab, was Du beruflich errreichen willst. Wenn es dir reicht, mit begrenztem Aufgaben- und Verantwortungsbereich zu arbeiten - was völlig in Ordnung ist - ist die Weiterbildung zur Rechtsfachwirtin vielleicht nicht das Richtige für dich. Bedenke aber, dass die Konkurrenz zahlreich ist, gerade in den nicht so qualifizierten Bereichen. Irgendwann kommen jüngere, billigere und frisch ausgebildete Kolleginnen nach, mit denen Du dann um die Arbeitsplätze konkurrierst. Und für einfachere Arbeiten kann auch mal ein Quereinsteiger genommen werden.

Momentan herrscht Fachkräftemangel, was dazu führt, dass gerade in Ballungsgebieten auch weniger gut ausgebildete Kolleginnen leicht einen Job bekommen. Das muss nicht so bleiben. Wenn die Digitalisierung hier weitergeht, werden die einfachen Jobs wegfallen, wie es jetzt schon oftmals bei den Schreibkräften zu beobachten ist. Als ich 1982 die Lehre anfing, hatte jeder Anwalt in der Kanzlei eine Sekretärin, eine Schreibkraft und noch einen Azubi. Inzwischen schreiben die Anwälte selbst und oftmals teilen sich mehrere Anwälte eine Fachangestellte.

Ob die Weiterbildung zum Rechtspfleger was für dich ist, kann ich naturgemäß nicht beurteilen, öffentlicher Dienst ist sicher auch nicht zu verachten. Wenn ich mir aber an unseren kleineren Amtsgerichten anschaue, dass da ein Rechtspfleger für die gesamte Zivilabteilung zuständig ist und arbeitsmäßig wohl absäuft (schlägt sich in der Bearbeitungszeit z.B. der KFAs nieder), ist das wohl auch nicht alles Gold. Außerdem kann man im öffentlichen Dienst auch mal dahin versetzt werden, wo einen der Dienstherr haben will.
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S.R.
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#3

01.08.2018, 16:52

Erstmal vielen Dank für die ausführliche Nachricht!

Weiterbilden möchte ich mich auf jeden Fall und das stand auch schon von Anfang an fest. Was mich nachdenklich macht ist, dass ich vieles von dem Fachwissen was ich in dem Lehrgang zum Rechtsfachwirt lerne, hier nicht anwenden werden eben weil wir so klein sind und dann eben vergessen werden.

Bis zur Rente bleibe ich auf jeden Fall nicht hier. Ich muss schon weiter in die Zukunft denken.

Arbeitest du denn in einer großen Kanzlei und kannst dein Wissen anwenden oder braucht man es in einer kleinen Kanzlei vielleicht auch zum Großteil?

Den Rechtspfleger hatte ich schon vor 3 Jahren angedacht. Bewerben werde ich mich denke ich auf jeden Fall. Ob ich genommen werde ist ja die andere Sache. Und den Fachwirt kann ich dann immer noch machen. Bewerben dafür kann ich mich hier sowieso erst ab März 2019.
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Andy66
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#4

01.08.2018, 17:23

Ich selbst arbeite in einer kleinen Kanzlei - bin lieber ein großer Fisch im kleinen Teich als andersrum. Die Kolleginnen aus dem Kurs, mit denen ich noch Kontakt habe, sind teils in Groß- und teils in Kleinkanzleien.

Büroorganisation und Management ist wichtig, um den Laden geordnet laufen zu lassen. Buchführung und Steuerrecht haben auch ganz direkten Einfluss auf andere Rechtsgebiete. Zwangsvollstreckung machen wir hier kaum, das fällt nicht an, daher etwas eingerostet, gleiches für Arbeits- und InsoR. Das materielle Recht ist ja die Grundlage von Allem, daher ja, das brauche ich eigentlich immer. Genau so wie das Kostenrecht in all seiner Schönheit. Und Verfahrensrecht ist auch immer wichtig, man denke nur an die Fristen.

Ich denke nicht, dass man in einer Kanzlei jeden Aspekt der Ausbildung brauchen kann, denn die Spezialisierung ist doch schon recht fortgeschritten. Aber es geht hier auch mehr um die Tiefe im Vergleich zur Fachangestelltenausbildung. Auch wenn man die Ausbildung gut abgeschlossen hat und schon einige Jahre in dem Beruf gearbeitet hat, man glaubt gar nicht, was es da noch alles zu wissen gibt. Ich will jetzt nicht wie die Oma :omi klingen, aber isso.

Je tiefer dein Wissen geht, desto wertvoller und wichtiger ist deine Mitarbeit in der Kanzlei und das erhöht auch deinen Marktwert. Und weil man sich das halt einfach nicht so erarbeiten kann, ist eine Fortbildung eine gute Möglichkeit hierfür.
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#5

01.08.2018, 17:43

Ich muss sagen, was ich aus dem Fernstudium zur Rechtsfachwirtin vor allem mitgenommen habe, ist die Herangehensweise an die verschiedenen Fälle. Natürlich braucht man nicht immer alles, was man lernt später. Aber ich persönlich finde es viel spannender selbstständig zu arbeiten und so viel wie möglich selbst zu machen und das kann man von einem Rechtsfachwirt natürlich eher verlangen als von einer "normalen" Fachangestellten
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#6

02.08.2018, 08:43

Das klingt alles sehr gut. Dann muss ich meinen Plan zum Glück doch nicht über den Haufen schmeißen :hurra
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#7

30.06.2023, 09:58

Hallo, habe überlegt nach dem Betriebswirt evtl. ReFaWi dran zu hängen. 4.600 € sind aber ein ganz schönes Sümmchen, Bafög geht bei mir nicht. Lohnt sich das wirtklich? Und was erzählt einem Soldan was man nicht auch so lernen kann? Wie oft kann man die Prüfung ablegen? Ich würde mit den grünen Büchern einfach lernen wollen. Hatte seinerzeit mal angefangen, und eigentlich weiß man das meiste so grob eh. LG
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Oliverreinhardt2
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#8

30.06.2023, 10:16

Also anhand der RechtsfachwPrV sind dort zu § 4 die gleichen Inhalte, wie eines Betriebswirtes. Also entscheide, ob es aus deiner Sicht sinnvoll erscheint.
Die Prüfung selbst kannst du 2 x wiederholen. Hast du 3 x erfolglos teilgenommen, gibt es keine Möglichkeit mehr, den Abschluss zu erlangen.

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Gruß
Oli
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komm ich irgendwie auf dumme Ideen...
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#9

30.06.2023, 10:23

danke. Die Modulinhalte sind schon komplett anders naturgemäß. Büroorga etc mache ich in der Praxis halt eh schon immer. Das einzig Neue wäre Lohnsteuer + Strafrecht. Das brauche ich hier aber auch überhaupt nicht in meiner Kanzlei. Nen Habersack etc müsste ich mir zulegen, das sind ja auch alles Kosten. Da würde es eher Sinn machen ggf. ein Mal durchzufallen
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Oliverreinhardt2
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#10

30.06.2023, 10:41

Für das, was du in der Kanzlei als Aufgaben machen musst, ist dein BW mehr vom Vorteil, als die Absolvierung des Rechtsfachwirtes. Von daher empfehle ich dir, das Geld "sinnvoller" anzulegen. :panik :huepf
Gruß
Oli
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